Satans Erbe (German Edition)
Niemand kann dir etwas tun. Du hast die Kontrolle.«
Ich schäme mich so sehr.
»Du hast nichts Schlimmes getan.«
Wirklich? Ich …, also ich sprang aus meinem Bett und suchte mein Nachthemd. Doch ich konnte es nicht finden.
»Wo warst du?«
Im Keller. Alles war so still und kalt.
»Was war das für ein Keller?«
Ich weiß nicht. Ich war immer da.
»Kannst du ihn beschreiben?«
Nein. Es ist zu dunkel. Ich erinnere mich nicht.
»Warum bist du immer im Keller?«
Ich lebe dort. Meine Nanny kommt oft und spielt mit mir. Manchmal gehen wir raus. Manchmal gehe ich auch mit Papi.
»Wie heißt deine Nanny?«
Ich weiß nicht.
»Magst du weitererzählen?«
Plötzlich saß ich in eine Wolldecke gehüllt in einer Ecke. Da kamen die Bilder meines Traums wieder hoch.
»Du meinst den Traum, den du mit acht hattest?«
Ja. Ich liege im Bett, habe die Decke über den Kopf gezogen, sodass ich nur ein bisschen darunter hergucken kann.
Jemand … jemand ist vor meinem Zimmer.
»Kannst du das Zimmer beschreiben?«
Es ist nicht klein. Ich habe viele Spielsachen. Und einen Fernseher, aber er ist aus. Mein Bett steht längs an einer Wand. Ich kann von dort aus zur Tür sehen … Die Tür bewegt sich.
»Was machst du?«
Ich tue, als ob ich schlafe. Ich versuche, ganz leise zu atmen und nicht zu zucken. Ich habe einen Arm vor meinem Gesicht liegen.
Jemand kommt rein. Er schließt die Tür halb und stellt sich dahinter in die Zimmerecke.
»Wer ist er?«
Ich weiß nicht. Er ist böse.
»Woher weißt du, dass es ein Mann ist?«
Er war schon öfter da. Er steht in der Ecke und beobachtet mich.
»Tut er sonst noch was?«
Er … nein, ich weiß nicht. Jetzt kommt er auf mich zu. Neiiinn …
»Ganz ruhig, Liebes. Er ist nicht da. Ich bin bei dir. Ich bins, Sibylle.«
Ja.
»Geht es wieder?«
Ja.
»Was passiert weiter?«
Das Licht geht an. Ich fahre im Bett hoch. Es ist nicht derselbe Mann wie sonst. Er ist dicker. Er trägt eine Kapuze. Ich kann sein Gesicht nicht sehen. Ich will nicht, ich will nicht. Nein.
»Was willst du nicht, Elisa? Sollen wir eine Pause machen?«
Nein. Das ist es nicht. Ich will nicht mit ihm gehen.
»Was macht er?«
Er zieht mich aus dem Bett. Ich wehre mich. Aua. Er schlägt mir auf die Brust. Ich fange an zu weinen. Nein, nein, nein, ich darf nicht weinen, ich darf nicht weinen.
»Warum darfst du nicht weinen?«
Ich weiß nicht. Sie quälen mich. Je mehr ich weine, desto mehr quälen sie mich.
»Wer quält dich, Elisa?«
Ich weiß nicht. Ich kann mich nicht erinnern.
»Was passiert, wenn du nicht weinst?«
Wenn ich nicht weine, quälen sie mich auch.
»Wer sind sie?«
Ich kann es nicht sagen. Ich kann meinen Kopf nicht bewegen. Ich sehe eine schwarze Decke über mir. Ich kann meinen ganzen Körper nicht bewegen.
Sibylle machte sich Notizen am Blattrand. Nach einem Blick auf die Uhr griff sie zum Telefon. Der Bär nahm sofort ab.
»Können wir miteinander reden?«
»Selbstverständlich. Wann passt es Ihnen?«
»Wie wäre es mit sofort?«
»Kein Problem, ich bin gleich bei Ihnen.«
Sibylle lehnte sich zurück. Es würde wieder eine lange Nacht werden. Als der Bär Platz genommen hatte, reichte sie ihm wortlos ihre Aufzeichnungen.
Er las sie aufmerksam und es dauerte eine Weile, bevor er das Wort ergriff. »Was halten Sie davon?«
»Das würde ich gern von Ihnen hören.«
»False-Memory-Syndrom, wie beim letzten Mal?«
»Nein, diesmal nicht, es geht noch weiter …« Sibylle genoss das Gefühl, den Bären einmal zappeln zu lassen. Gleich darauf schämte sie sich. Die Sache war zu ernst, um solche lächerlichen Emotionen zu hegen. Sie reichte ihm einen weiteren Stapel ihrer Aufzeichnungen.
38.
Villa Felthen
Interlaken, Schweiz
13. August 1977, nachmittags
B enni saß mit geschlossenen Augen auf der Terrasse und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Er lauschte dem eifrigen Gezwitscher der Vögel und dem Planschen seiner Nichte im Pool. Zwischendurch blinzelte er durch die Wimpern. Das ausgelassene Toben mit der 7-Jährigen hatte ihn mehr geschlaucht, als er sich eingestehen wollte. Wenn er nur halb so viel Sport treiben würde wie Arno …
»Onkel Benni, Onkel Benni. Sieh mal, ich kann tauchen.«
Benni schaute auf.
»Guckst du auch?« Lisa nestelte an ihrer Taucherbrille. Ihre Aussprache klang lustig mit dem Schnorchel im Mund. »Gugschd du ausch, Onchel Benni?«
»Ja, Süße, ich gucke.«
Lisa atmete tief ein und warf sich mit dem Oberkörper
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