Satans Erbe (German Edition)
fast unbenutzten besten Stück führte.
Der Professor hielt Wort und erzählte niemandem von unserer Geschäftsbeziehung und seinen abendlichen Aktivitäten nach seinem Job als Konservator im Kunstmuseum. Solche Menschen fand man selten und ich beglückwünschte mich zu meiner Geduld, dass ich mir trotz jahrelanger Suche mit der Auswahl desjenigen so viel Zeit gelassen hatte.
Ich atmete ein und hielt die Luft an, als König die schwere Tür zum Keller öffnete. Als ich vor einigen Monaten zum ersten Mal hier hineingegangen war, hatte es mich fast aus den Latschen gehauen. Es stank fürchterlich nach Chemikalien, abgestandenem Mief und alten, zersetzten Büchern. Doch der jetzige Geruch im Keller versetzte mich in Erstaunen.
Der Professor schloss die Tür und lächelte.
Ich nickte ihm gönnerhaft zu. Der Schlaumeier hatte sich von meinem monatlichen Bargeld im Postkasten ein Belüftungssystem gekauft und selbst installiert, denn Besuch von Handwerkern hatte er nicht bekommen.
»Das musste sein,« erklärte Heinrich unaufgefordert, »wissen Sie, am besten lässt man ein historisches Dokument in Ruhe. Nicht berühren, Umgebung sichern und alles überwachen.« Er sah sich um, als wenn der Feind hinter einigen Reagenzgläsern oder den dicken, ledernen Buchrücken Stellung bezogen hätte. »Bei unsachgemäßer Behandlung, Schadstoffen oder klimatischen Veränderungen würde es weiter zerfallen …«
Wir gingen durch das grell beleuchtete Labor in eine Ecke, in der in einem Glasbehälter das Original-Pergament lag. Es sah noch genauso unleserlich aus wie vor einem Jahr, als ich es ihm gegeben hatte; wie vor sechs Jahren, als ich es zum ersten Mal in die Hände genommen hatte. Hatte er überhaupt daran gearbeitet?
Mein Hals schwoll an. Ich würde innerhalb der nächsten Minute platzen, wenn dieser Kerl nicht endlich …
»Wissen Sie«, fuhr der Professor fort, während er sein Mikroskop justierte: »Konservatoren stehen nicht gern im Mittelpunkt. Niemand hat die geringste Vorstellung davon, welche Verantwortung man trägt. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten an Leonardos Letztem Abendmahl . Unvorstellbar, nicht wahr? Bücher aus Papier haben einen hohen Säuregehalt, sie vernichten sich gewissermaßen selbst. Pergament dagegen hat keine Säureprobleme und ist weitaus resistenter.« Er drehte sich zu mir um, schien jedoch nichts von meinem kurz bevorstehenden Anfall zu bemerken. Er war völlig in seinem Element.
»Ein Defizit bei Pergament ist, dass es empfindlicher auf Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen reagiert. Tja, schließlich handelt es sich um Haut. Sie haben es angefasst und durch Ihre verschwitzten Finger ist es wellig geworden. Die Farbpigmente ändern ihre Form nicht, aber sie blättern ab. Sehen Sie.«
Ich musste blinzeln, damit ich meinen Zornesschweiß aus den Augen bekam und mithilfe des Vergrößerungsglases etwas erkennen konnte.
»Der Innenteil ist ziemlich in Mitleidenschaft gezogen, weil das Pergament mit Wasser in Berührung gekommen ist. Es hat vor sich hingegammelt – so lange – und der Schimmel hat den Untergrund gefressen.«
Mir wurde schwindelig. War alles vergebens?
»Hier.« Der Professor schob eine UV-Lampe an das Mikroskop heran. »Sehen Sie die Buchstaben, die Wurmlöcher? Tja, eine Tragödie, aber auch ein Schatz.«
Ich hielt es nicht mehr aus. »Was haben wir?«
»Oh, eine Menge. Sehen Sie. Die Atome und Moleküle des Pergaments werden von dem Licht angereichert, Energie wird absorbiert und die Photonen emittiert …«
Er fing meinen ungeduldigen Blick auf.
»Tja, also vereinfacht … die Tinte erscheint in dem bläulichen Licht schwärzer, der Kontrast, verstehen Sie? Man kann Buchstabe für Buchstabe erkennen und abzeichnen.«
Ich musste mich gehörig zusammenreißen. »Und? Hätten Sie einen Vergleich für mich? Unter dem Mikroskop? Damit ich eine Vorstellung bekomme.« Ich zeigte auf einen Block, der auf dem langen Tisch lag und auf den Kugelschreiber daneben. König sah mich verwirrt an. »Schreiben Sie doch etwas darauf und zeigen Sie mir den Unterschied, Herr Professor. Wissen Sie, ich möchte das verstehen, so als Laie.«
Der Professor griff fahrig nach Zettelblock und Kuli. Er zögerte, wie ich vermutet hatte.
»Ich habe gesehen, Sie spielen Schach. Schreiben Sie: Schach matt! Nur so.«
Er starrte mich an.
»Schreiben Sie.« Ich lächelte ihm aufmunternd zu.
Heinrich schob den beschrifteten Zettel vorsichtig neben das Pergament unter das Mikroskop
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