Satans Eulen
auseinander. Plötzlich war ihre eigene Angst vergessen, jetzt ging es nur um das Kind. Sonja stand auf der Treppenmitte. Sie hatte einen Arm angewinkelt und rieb sich die Augen. In der rechten Hand hielt sie ihre Lieblingspuppe.
»Ihr wart so laut«, sagte sie mit weinerlicher Stimme. »Ich konnte nicht schlafen.«
Die Frau reagierte sofort. Sie eilte die Treppe hoch, umfaßte mit beiden Händen ihre kleine Tochter und preßte ihre Wange gegen die von Sonja.
»Mein kleiner Liebling«, flüsterte sie. »Entschuldige bitte. Aber es ist alles in Ordnung. Bitte, geh jetzt in dein Bett. Du mußt liegenbleiben.«
»Mein Kopf tut auch weh.«
»Da siehst du es.« Enna zwang sich ein Lächeln ab. »Deshalb mußt du auch ins Bett.«
»Bringst du mich hoch, Mami?«
»Klar, mein Liebling.«
Enna stieg die Treppe hoch und nahm ihre Tochter an die Hand. Gemeinsam verschwanden sie im Kinderzimmer.
Lars Strindberg hatte erst mitgehen wollen, sich es dann überlegt. In der Zwischenzeit konnte er in den Keller gehen und seine Waffe holen. Er passierte den Küchenkomplex und schaute auf das Fenster. Hinter der Scheibe war es dunkel. Keine Strige hockte außen auf der Fensterbank und schaute ins Haus.
Leider führte keine normale Treppe in den Keller. Sie hatten immer eine bauen wollen, es jedoch verschoben. Jetzt ärgerte sich der Maler. Er mußte hinter der Küche eine Holzklappe hochziehen. Darunter befand sich eine Leiter, die in den dunklen Keller führte. Es gab auch kein Licht dort, deshalb nahm der Mann eine Kerze mit, zündete den Docht an und schirmte die Flamme mit der Hand ab, während er die Treppe hinabstieg.
Der Keller diente auch als Nahrungslager. Das brauchten sie, denn im Winter waren sie oft genug eingeschneit, so daß sie kaum die Haustür öffnen konnten, weil Schneemassen wie Wälle davorlagen. Der Maler mußte sich bücken, denn der Keller war nicht sehr hoch. Die Wände und Kammern bestanden aus granitgrauen, unbearbeiteten Steinen. Rechts und links gab es zahlreiche Verschlage. Dort lagerten Gemüse, Kartoffeln, auch Brennholz und Kohlen sowie eingekochtes Obst. Dieser Keller war auch im Sommer so kalt, daß die Familie keinen Kühlschrank benötigte.
Lars Strindberg hinterließ eine Spur, als er durch den Gang schritt. Von seiner Armwunde tropfte das Blut. Auf dem Boden blieb es in dicken, roten Flecken liegen.
An die Schmerzen und seine Verletzungen dachte der Mann nicht. Für ihn war wichtiger, sich jetzt aus der Gefahrenzone zu bringen und sich effektiv zu verteidigen. Das konnte er seiner Ansicht nach nur mit einem Gewehr.
Es stand dort, wo auch die Beile und Äxte lagen. Selbst im flackernden Kerzenschein sah der Maler den Rost, den die einmal blank gewesenen Klingen angesetzt hatten.
Er überlegte nicht lange, nahm zwei Beile auf und hängte sie in seinen Hosengürtel. Das Gewehr hielt er in der linken Hand. Es war wie immer geladen. Dann ging er den Weg vorsichtig wieder zurück. Von oben her fiel ein Schatten auf die Treppenstufen. Für einen Moment saß der Schreck tief, dann erkannte der Mann die menschlichen Umrisse. Seine Frau Enna wartete oben auf ihn.
»Alles klar?« fragte sie. Ihre Stimme zitterte noch immer.
»Ja. Und bei dir?«
»Auch. Sonja schläft.«
»Da bin ich froh.« Er nahm die letzten Stufen. Enna ließ die Klappe wieder zufallen.
Dann schaute sie auf die Beile im Gürtel ihres Mannes. »Was willst du damit?«
»Wenn die Strigen kommen, werde ich sie töten«, erwiderte er.
Enna nickte nur, obwohl sie einen anderen Vorschlag machte. »Wir müssen die Polizei anrufen. Sie sollen anrücken und die Umgebung durchsuchen.«
Für einen Moment wirkte Lars Strindberg so, als hätte er die Worte überhaupt nicht gehört. Dann drehte er den Kopf und nickte. »Ja, das wird wohl das beste sein.«
Er ging wie ein alter Mann zu dem kleinen Tischchen neben dem Sessel. Es bestand aus hellem Kieferholz wie fast alle Einrichtungsgegenstände innerhalb des Hauses. Er nahm den Hörer ab, holte noch einmal tief Luft und wählte.
Nach zwei Nummern zog er den Finger so hastig aus der Wählscheibe, als hätte er ihn sich verbrannt. Dabei wandte er sich um und wurde kalkweiß im Gesicht.
»Was ist los?« fragte seine Frau.
»Die Leitung«, flüsterte Lars Strindberg. »Sie… sie ist tot…«
***
Wir waren zwar von unseren Stühlen hochgekommen, doch um an den Schauplatz des Geschehens zu gelangen, bedurfte es einer regelrechten Pumptour. Pumptour deshalb, weil wir die Menschen
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