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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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an Boten sparen. Und wer ein Porträt von Goya haben will, muss sich halt die Mühe machen, ein Stück hinauszufahren, gleich hinter die Segovia-Brücke, dorthin, wo früher die Einsiedelei des Schutzengels war. Das ist gut, die Einsiedelei ist genau das richtige für einen Eigenbrötler wie mich. Achtundzwanzig Fanegas Ackerland, ein Garten, das Haus zwar nicht allzu groß, aber wir passen zu dritt, Leocadia, die kleine Rosario und ich, bequem hinein, und wenn Javier mit Gumersinda und Marianito aus der Stadt kommt, haben wir Platz für ein Quartier; zwei Brunnen, einer auf dem Hof, der zweite im Gemüsegarten, der übrigens recht groß ist – was kann man für sechzigtausend mehr erwarten? Überall ringsum ist Leben, sprießende Triebe, reifende Früchte, die ich stundenlang betrachten kann … Ha, ich habe ja immer gesagt, ich habe drei Meister: Velázquez, Rembrandt und die Natur. Velázquez habe ich in den königlichen Sammlungen, Rembrandt auf Radierungen, aber die Natur hatte ich nur, wenn ich mit Martín auf die Jagd ging. Jetzt werde ich sie direkt vor der Nase haben, vor meinem großen Zinken, und werde ihre geheimen Düfte schnuppern.
    Und dann noch der Name: Das Haus des Tauben. Passt wie angegossen. Als wir uns beim Notar trafen, um den Vertrag zu unterschreiben, standen wir zwei uns gegenüber, schauten uns an und verstanden jede Einzelheit, jede Falte im Gesicht des anderen. Zwei taube Alte. Der andere ist ein Bauer, ich bin Maler, aber angesichts der Taubheit waren wir gleich; das sah man an der Geschwindigkeit, mit der wir die Fragen lasen, die der Notar in unsere Hefte schrieb; die ersten Buchstaben genügten.

Javier spricht
    Hier werden alle Grenzen der Schamlosigkeit überschritten, manchmal bin ich froh, dass Mutter das nicht mehr erlebt. Wie diese Frau sich aufführt, als wäre sie hier zu Hause. Die schlüpfrigen Gesten der beiden, wie der Alte sie anschaut, wie sie mit den Hüften wackelt, wie sie ihm über die Borsten streicht, die ihm aus den Ohren wachsen – ekelhaft. Hätte Gumersinda nicht gedrängt, hätte sie nicht darauf bestanden, dass wir sie am Manzanares besuchen, damit Marianito ein bisschen Auslauf hat und wir alle »eine schöne Zeit mit dem Herrn Schwiegervater verbringen«, hätte ich keinen Fuß dorthin gesetzt. Aber es war mir schon lieber, einen Ausflug an den Fluss zu machen, mit Körben voll Essen, als eine ganze Woche mehr oder weniger über das gleiche Thema zu streiten.
    Also »verbringen wir eine schöne Zeit«. Wir bekommen Zimmer; der hiesige Backstein, in der Sonne gebrannt, hat einen spezifischen Geruch, der mich zur Weißglut bringt. Wenn der Backstein erhitzt ist, riecht er noch intensiver, ich öffne die Fenster, um den Gestank zu vertreiben, aber der Wind weht aus den Feldern nicht nur das schwere Aroma der Erde, der Gräser und des Schilfes her, sondern auch des Backsteins, aus dem sie hier alles bauen: Häuser, Mäuerchen, Kapellen.
    Der Alte benimmt sich wie ein verliebter junger Bursche; sein Leben besteht aus Zukunftsplänen. Er hat einen Gärtner eingestellt und ihm eine Hütte gebaut, als könne er nicht glauben, dass in seinem Alter alles, was er pflanzt, erst Früchte tragen wird, wenn er schon in einer Holzkiste unter der Erde liegt. Selbst wenn er sagt: »Diese Birnen pflanzen wir für deinen Marianito, das sind seine Lieblingsbirnen!« – so bin ich doch überzeugt, dass er in seinem tiefsten Innern glaubt, die Berührung mit dem jungen Körper der Frau Juwelierin werde ihm seine Jugend wiedergeben und er werde sich selbst noch den Bauch mit diesen Birnen vollschlagen.
    Ich schaue, wie er mit der Flinte auf die Jagd geht, wie er das Ausheben der Gräben und das Anpflanzen der Weinreben beaufsichtigt, wie er die Artischocken inspiziert und uns alle zwingt, sie zu essen und zu loben, wie groß sie geworden sind. Er hat sich in eine Gestalt seiner Caprichos verwandelt; ganze Tage lang denke ich mir Titel für Karikaturen aus, die er selbst natürlich nicht zeichnen und nicht mit feinem Strich in Kupferplatten ritzen würde.
    Ich liebe dein graues Haar : Ein fetter alter Dachs, der mühsam eine korpulente Maja besteigt, die mit einer Hand über die grauen Strähnen auf seinen Schultern streicht und mit der anderen nach dem Messer greift, um ihm das Säckel abzunehmen.
    Ein Esel in einem zusammenfallenden Stall: Mein Königreich . Nein, das ist nicht gut.
    Ein Schmied, der Ketten schmiedet, die ihm die Füße fesseln und immer weiter wachsen und

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