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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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Angeblich hat man ihn in einem triumphalen Streitwagen hergebracht, von vierundzwanzig jungen Männern gezogen – seitdem wird auf den spanischen Straßen viel gesoffen. Und del Riego wurde gar nicht erschossen: Er wurde in einen Korb gepackt, bekam eine grüne Mütze auf den Kopf und wurde von einem Esel durch die Straßen geschleift, bis ihm schließlich die Innereien herauskamen. El Empecinado, ein kastilischer Raufbold, Bezwinger der französischen Truppen, den ich vor gar nicht langer Zeit in einer ziegelroten Jacke mit goldenen Verzierungen gemalt habe, ein aufrichtiger Schnauzbart, wurde in Roa in einem Eisenkäfig gefangen gehalten; als man ihn zum Galgen führte, versuchte er sich loszureißen, aber er stolperte über den Rand des Todeshemdes und fiel hin. Sie zogen ihn so lange am Hals, bis er den Geist ausgehaucht hatte. Durch die Häuser gehen Schlägertrupps, die alle illegalen Bücher vernichten – seien es französische oder solche, die gedruckt wurden, während die Verfassung in Kraft war. Man braucht sich nicht zu wundern – der König, sein Bruder und sein Onkel sind während der Gefangenschaft in Talleyrands Schloss angeblich nur in die Bibliothek gegangen, um Schweinereien aufzuspüren, die Bilder von den Umschlägen zu reißen oder mit Messern zu zerschneiden; als sie sich daranmachten, Voltaire und Rousseau zu verbrennen, setzten sie fast die ganze Bibliothek in Brand; statt zu lesen, beteten sie lieber oder stickten an einem Gewand für die Muttergottes in der Kapelle – kein Wunder also, dass sie jetzt solche Helfer haben. Zum Glück haben wir alles, was sich zu lesen lohnt, an den Manzanares mitgenommen, in Madrid ist nur das Langweiligste geblieben. Wer wollte das hinausschaffen und verbrennen? Na ja, wenn man dafür Marquis werden kann? Andere haben eine Geheimgesellschaft gegründet, den Engel der Vernichtung, und verfolgen jeden, der ketzerische Gedanken hat, gehabt hat oder haben könnte. Leocadia hat gesehen, wie sie auf dem Markt einem Mann den Backenbart und den Schnurrbart ausrissen, weil er ein gelbes Taschentuch besaß; danach führte man ihn blutend ab mit einer Kuhglocke am Hals. Eine Frau hat man völlig kahlrasiert, weil sie ein gelbes Band trug, und dann teerte und federte man sie. Den Lehrer Ripolla hat man gehenkt, weil er sonntags nicht in die Messe ging; unter das Schafott stellte man ein brennendes Fass, um an die guten alten Zeiten der Verbrennungen auf dem Scheiterhaufen zu erinnern. Ich versuche, an all das nicht zu denken, versuche, die Bewegung des Stichels zu verfolgen. Aber selbst dann sehe ich sie alle, wie sie sich in dem glänzenden, orangeroten Kupfer spiegeln.

Javier spricht
    Gumersinda hat als erste erfahren, dass Leocadia schließlich mit Guillermo und Rosario über die Pyrenäen geflohen ist – ich weiß nicht, wie sie das geschafft hat, aber bevor der räudige alte Bär mit der Kutsche aus der Quinta del Sordo hier ankam, wusste ich schon von ihr, dass er von jetzt an ganz allein dort sitzen würde, wenn man Felipe und die aktuelle Köchin nicht mitzählt. (Sie sind alle nacheinander gegangen, weil sie die Launen des Künstlers und die Szenen der Hausherrin nicht ertragen konnten.) Er klopfte nur die Ärmel seines Rocks ab, setzte sich breit in den Sessel und sagte: »Ruf Marianito. Ich muss das Haus auf ihn überschreiben, damit sie es sich nicht krallen, wenn sie mich verhaften. Einem siebzehnjährigen Jungen nehmen sie es nicht weg für die Sünden seines Großvaters. Sollen sie doch denken, mein ganzes Vermögen sei das, was ich auf dem Rücken trage, und ein paar alte Pinsel.«

Mariano spricht
    Ich dachte, ich müsse traurig sein und Mitgefühl mit ihm zeigen; ich hatte ein Haus bekommen, aber ich wusste, dass ich es nur auf dem Papier hatte, und ich freute mich weniger darüber, als ich mich über eine hübsche Reitpeitsche oder eine Kawattennadel gefreut hätte; im Übrigen ist mir das ein schönes Haus: ein paar bröckelnde Backsteine und ein Stück unfruchtbares Land, wo es Felipe, auch wenn er sich auf den Kopf stellt, nie gelingen wird, einen richtigen Garten anzulegen.
    Dennoch lachten wir – Großvater erzählte mir von seiner ersten schönen Kutsche, einer zweirädrigen Birlocho : »In ganz Madrid«, sagte er, »gab es nur drei davon! Nur drei, mein Söhnchen. Mit der einen fuhr der Sohn eines Bankiers, der dann übrigens traurig endete, mit der zweiten ein Fürst von Geburt und mit der dritten kein anderer als Don Francisco de Goya!

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