Sau tot
würde ich das ungern probieren«, warf ich ein.
»Gut dann lassen wir den Wagen hier stehen. Und tu mir einen Gefallen!« Max sah mich von der Seite mit dicker Sorgenfalte an. »Bleib hier im Auto! Du hast gehört, was die Oberste gesagt hat. Noch so ein Fauxpas, und ich krieg’ die rote Karte.«
»Ist schon klar«, lenkte ich ein. »Aber im Auto bleibe ich nicht Süffel hat noch keinen Auslauf gehabt. Ich gehe ein bißchen hier in der Gegend herum. Aber ich verspreche«, ernst hielt ich zwei Finger in die Luft, »näher als fünfzig Meter komme ich an die Hütte nicht heran.«
»Bis gleich!« Max stieg schwungvoll aus und stapfte durch den Schnee davon. Süffel, der schon seit unserem Anhalten zwischen Fahrer- und Beifahrersitz klemmte, sah jetzt seine Chance gekommen. Ich schnappte mir die Leine, hakte sein Halsband ein und gab mich der Illusion hin, daß es nach einem anstrengenden Schultag nichts Schöneres gab, als hungrig mit einem Hund durch die Pampas zu spazieren. Ich ging den Weg weiter, auf dem wir mit dem Auto gekommen waren, und entfernte mich damit automatisch von Max. Als ich mich einmal umdrehte, sah ich, daß er gerade am Hexenhäuschen angekommen war und die Klinke probierte. Die Tür schien nachzugeben. Schwein gehabt. Mußte er sich also nicht durch ein eingedrücktes Fensterchen schieben. Max verschwand im Inneren. Ich selbst ging weiter, während mein Magen knurrte, als hätte ich drei Tage lang nichts zu essen gehabt Griesgrämig sah ich mich in der schneebedeckten Landschaft um. Vielleicht wuchs hier und da unter der Eisschicht noch ein Himbeerchen, oder eine Brombeere hatte womöglich tiefgekühlt überlebt. Plötzlich blieb Süffel stehen und fing an zu bellen. Ich zog unwillig an der Leine.
»Komm, Süffel, Beeren sammeln«, schimpfte ich, aber der Hund blieb stur und rührte sich nicht. Ein Münsterländer – die sind ja fast noch schlimmer als ihre Nachbarn im Sauerland – alles in allem schwerstwestfälische Bauart. Ich zog weiter. Inzwischen hatte der Hund derartig seine Pfoten in den Schneematsch gerammt, daß ich ihn keinen Zentimeter weiter bekam.
»Jetzt komm schon!«, schimpfte ich unwillig und ergänzte die Rüge durch einen Baß, der aus den Tiefen meines Magens kam. Süffel bewegte sich noch immer keinen Schritt vorwärts, sondern bellte wütend vor sich hin.
»Max kommt nicht mit«, versuchte ich es auf die pädagogische Tour. »Der muß arbeiten, wie Herrchen es zu Hause auch immer tut.«
Der Hund blockierte weiter. Mit der Wir-sprechen-drüber – Masche war offenbar auch nicht viel zu reißen.
»Gut, dann wartest du eben im Auto«, motzte ich und machte genervt eine Kehrtwende in dem Wissen, daß ich schon länger nicht mehr Herr meiner Entscheidungen war.
Ich sah den Rauch, sobald ich mich umdrehte. Schwarzer Rauch. Er kam aus dem hinteren Teil der Jagdhütte.
»Max!!« Ich brüllte und lief im selben Augenblick los. Süffel, dessen Leine ich losgelassen hatte, war weit vor mir da. Er bellte wie verrückt. Warum war Max nicht schon lange aus der Hütte herausgekommen? Ich stolperte mehrfach bei dem glatten Untergrund und brüllte immer wieder laut in die Landschaft hinein. Kurz bevor ich eintraf, wurde von innen die Tür aufgerissen. Max stürzte heraus, mit roten Augen und zwei schwarzen Striemen im Gesicht, in der Hand ein kleines Paket.
»Weg hier!«, brüllte Max und lief mir entgegen. »Die Hütte geht gleich in die Luft!«
»Süffel!«, kreischte ich. Zum ersten Mal gehorchte der Hund. Er kam angelaufen, immer noch bellend, aber er kam. Zu dritt rannten wir in Richtung Auto. Die Explosion folgte, als wir etwa zwanzig Meter entfernt waren. Ein lauter Knall, dann folgte ein Zweiter. Süffel bekam Panik und legte sich flach auf den Boden. Max und ich blickten entsetzt zurück. Die Hütte brannte lichterloh. Was auch immer die Explosion in Gang gesetzt hatte, die Sache hatte gut geklappt. Unpassenderweise knurrte mein Magen noch immer lautstark vor sich hin. Plötzlich nahm ich in der Nähe der flambierten Hütte eine Bewegung wahr. In etwa 100 Metern Entfernung – hinter einem Baum. Ich zeigte wortlos in die Richtung. Max folgte meinem Blick.
»Nein!«, sagte er verdattert, als er die türkisfarbene Mütze sah. Er schmiß mir sein Handy zu und brüllte etwas von Feuerwehr. Dann rannte er los.
Im nächsten Augenblick war Gisela Mühldorff verschwunden.
23
Max kam nach einer Viertelstunde wieder. Völlig erschöpft und total außer sich.
»Sie war
Weitere Kostenlose Bücher