Sau tot
freudig begrüßt hatte, nachdem ich das Haus betreten hatte. »Süffel!«
Ich schoß durch alle Räume. Im Arbeitszimmer hatte Süffel meinen Schreibtisch ruiniert. Zerkaute Stifte, angelutschtes Papier, nur die Klassenarbeiten hatten Gott sei Dank erhöht auf einem Seitenschrank gelegen. Im Wohnzimmer ein zerlegter Kalender. Im Schlafzimmer weitere Teile des Kopfkissenbezugs. Fragte sich nur: Wo war der Täter selbst? Ich fand ihn im Kinderzimmer. In Paules Kinderbett Friedlich lag er auf dem Lammfell, auf dem sich sonst mein Kleiner räkelte, und schnarchte genüßlich vor sich hin. Ein paar Umschlagreste neben seiner Schnauze zeugten noch von meinem Sedaris-Exemplar. Verzweifelt hielt ich mich an den Gitterstäben fest, die Paules Bett umrahmten. Süffel war offensichtlich durch das Schlupfloch eingestiegen. Sollte ich ihn umbringen? Das würde die Sache ein für allemal beenden. Außerdem schien mir das die gerechte Strafe zu sein für einen, der mutwillig mein Lieblingsbuch zerstört hatte. Und mein Kopfkissen. Und meinen Bretagne-Kalender. Und meine angegriffenen Nerven.
Süffel schmatzte im Schlaf, wurde ein bißchen wach und öffnete ein Auge. Dann schien er zu lächeln, leckte über meine Hand, die auf den Gitterstäben lag, drehte sich auf die Seite und schlief wieder ein. In diesem Moment klingelte das Telefon. Ich würde mit dem Umbringen noch ein kleines bißchen warten müssen. Aber nur ein kleines bißchen.
Wieder klingelte das Telefon. Der nächste Apparat stand bei uns im Schlafzimmer. Ich hastete hin. Ich sagte ja schon, daß manche Tage von vorne bis hinten schrecklich sind. Deshalb war ich gar nicht überrascht, als sich auch hinter dem Telefonanruf eine Katastrophe verbarg.
»Vincent, du mußt sofort nach Hesperde zur Polizeiwache kommen«, sagte eine Stimme in gebieterischem Ton.
»Äh, bitte?« leierte ich. »Werde ich verhaftet? Dann macht euch gefälligst die Mühe und holt mich hier zu Hause ab.«
»Das ist kein Witz, Vincent. Ich bin’s, Max.«
Schlaumeier. Das hatte ich auch schon gemerkt. »Hier auf der Polizeiwache sitzt Gisela Mühldorff und möchte eine Aussage machen.« Noch nie hatte ich Max in einem so artikulierten Tonfall reden hören. Er konnte unmöglich alleine sein.
»Und sie möchte ausschließlich mit dir sprechen!«
»Mit mir? Das ist unmöglich.« Mein Traum kam mir wieder ins Gedächtnis. Gisela Mühldorff im Talar.
»Leider ist es möglich. Jetzt rede nicht lange und komm!«
»Mal halblang, Max. Ich komme gerade aus der Schule. Süffel hat meine Wohnung zerlegt inklusive eines handsignierten Buches von David Sedaris. Weißt du, was das für mich bedeutet?«
»Herr Jakobs? Hier spricht Marlene Oberste. Sie sind in dreißig Minuten hier vor Ort!«
»Wie bitte? Wie darf ich das denn verstehen?« Ich war schließlich nicht ihr Befehlsempfänger.
»Sie waren dabei, als Gisela Mühldorff befragt worden ist. Wenn Sie verhindern möchten, daß das strafrechtliche Konsequenzen hat dann sind Sie in einer halben Stunde hier. Ist das jetzt klar?«
»Klar! Klar ist das klar!«
So klar war mir vorher noch nie was klar gewesen.
21
»Das isser.«
Die Frau meinte es ernst Sie hatte tatsächlich dort auf mich gewartet. Wieder hatte sie ihre türkisfarbene Baseballkappe auf, unter der ihr graues, lockiges Haar in wirren Strähnen heraushing. Passend irgendwie zu dem leicht muffigen Geruch, der sie auch in diesen Räumlichkeiten aufs Heftigste umgab.
»Frau Mühldorff«, sagte ich lahm.
»Ich will Ihnen was sagen«, flüsterte die Wartende verheißungsvoll, »über Waltermann, das möchten Sie doch wissen.«
»Sehr gern«, antwortete ich mit Seitenblick auf Max. »Ich bin sehr dankbar, wenn Sie mir etwas erzählen.«
»Aber ich muß allein mit Ihnen sprechen!«
»Oh nein, das geht leider nicht«, fuhr es aus mir heraus. »Ich meine, das geht schon, aber mir wäre es lieber, wenn auch mein Freund, mein Kollege, meine ich -«
Frau Mühldorff musterte Max mit kaltem Blick, dann schien sie zu überlegen, schließlich sagte sie: »Er kann dabei sein, wenn es unbedingt sein muß.«
»Wunderbar«, piepste ich erleichtert. »Dann mal raus mit der Sprache.«
»Ich sagte, ich will mit Ihnen allein sprechen«, Gisela Mühldorff sah sich mißtrauisch um. »Hier laufen zu viele Leute herum. Haben Sie kein vernünftiges Zimmer?«
Ich sah mich um. Die einzige Person, die zu sehen war, war die Bezirksbeamtin, die hier in Hesperde tagsüber ihren Dienst tat. Das hier war eine
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