Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
hingegen hatte sie die ganze Zeit beobachtet.
Neugierig starrte er auf seine Beute herab und bewegte sich dabei langsam in Richtung Stall, während Schredder unentwegt redete und die anderen ihm weiterhin zuhörten.
Kim grunzte hilflos, doch weder achtete man auf sie noch auf Kroll.
Er hielt sich die Tüte an die Nase, zog das Papier hervor und ließ seine Augen darüber gleiten, genauso wie Dörthe es immer getan hatte, wenn sie mit einem Buch in den Stall gekommen war und ihnen vorgelesen hatte. Leise formte sein Mund ein paar Worte, die Kim aber nicht verstehen konnte, sosehr sie auch die Ohren spitzte.
Abrupt, als hätte er ihren forschenden Blick bemerkt, riss Kroll den Kopf herum. Er suchte sie auf der Wiese, und dann ruckte sein Schnurrbart hoch. Breit und selbstsicher grinste er sie an und leckte sich über seine braunen Zähne. Das Pflaster leuchtete auf seiner Stirn.
»Macht hoch die Tür, die Tor macht weit – ein wirklich schönes Lied«, sagte er in ihre Richtung und wandte die hässlichen Augen nicht von ihr ab. »Schade, dass wir noch nicht Weihnachten haben – könnte aber sein, dass für dich bald Bescherung ist, Schwein.«
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit? Was sollte das zu bedeuten haben? Waren das die Worte, die auf dem Papier standen?, fragte Kim sich mit klopfendem Herzen.
Während Schredder immer noch von Robert Munk, von ewiger Kunst und Tragik sprach, zog Kroll ein winziges Ding aus seiner Tasche hervor. Eine schmale Flamme begann aus seiner Hand aufzuflackern, und einen Atemzug später war das Papier nur noch ein Häufchen Asche, das in alle Richtungen davonwehte.
Kim quiekte auf, als hätte ihr jemand einen heftigen Schlag versetzt.
Was tat Kroll da?
Dörthe war mit einem schnellen Satz am Zaun und funkelte Kim wütend an: »Sei leise, Kim«, zischte sie. »Du kannst nicht immer im Mittelpunkt stehen, verdammt, nicht an einem solchen Tag.«
Alle Menschen auf dem Hof hatten sich mit finsteren Mienen zu ihr umgedreht; Kaltmann starrte sie so zornig an, dass sie erschauerte.
Passt doch auf!, wollte Kim ihnen zurufen. Kroll verbrennt Dinge, die wichtig sind, aber Dörthe stieß ein weiteres Zischen aus, und Schredder hob die Hände und sagte: »Robert hätte nicht gewollt, dass wir in unserer Trauer verharren. Er hätte gewollt, dass wir in seinem Sinn weitermachen. Seine Botschaft von Schönheit und Farben in die Welt hinaustragen.«
Als Kim sich umdrehte, bemerkte sie, dass Kroll verschwunden war. Die Plastiktüte wehte über die Wiese, als wollte sie zu Lunke zurück – nun aber war sie leer und wertlos, ohne das Papier und die grünen Blätter.
18
Keine Frage, sie hatte es vermasselt. In der winzigen Plastiktüte hatten sich die letzten Dinge befunden, die aus dem abgebrannten Schuppen übrig geblieben waren. Wenn Dörthe sie in die Hand bekommen hätte, wäre ihr gewiss aufgefallen, dass es eine Beziehung zwischen Haderer, Altschneider und den bitteren Pflanzen gab.
Niedergeschlagen legte Kim sich in den Schatten eines Apfelbaums und schloss die Augen. Sie wollte gar nicht mehr wissen, was die Menschen auf dem Hof trieben. Kroll hatte alles zunichte gemacht, aber warum hatte er das getan?
Nun, er war mit dem jungen Kaltmann und Altschneider zusammengewesen und hatte gesehen, wie Lunke mit seinen Eckzähnen die Tür aufgestemmt und Cecile aus dem Schuppen befreit hatte. Einen Tag später war Altschneider tot gewesen.
Kroll musste damit zu tun haben – sie musste ihn überführen.
Das war es – einen anderen Schluss konnte es nicht geben. Aber wie sollte sie das anstellen?
Mutlos beobachtete Kim, wie der Transporter mit all den Bildern vom Hof fuhr, dann setzten sich auch Schredder und die blonde Frau in den großen schwarzen Wagen und rauschten mit heulendem Motor davon. Kroll und Ebersbach verschwanden ebenfalls in ihrem weißen Auto, an dem stets die Scheinwerfer leuchteten. Kim registrierte, dass Kroll ihr noch einen gehässigen Blick zugeworfen hatte.
Allein der falsche Munk und Dörthe blieben zurück.
Warum kommst du nicht? Kim bemühte sich, Dörthe diesen Gedanken ins Haus zu schicken, wo sie hektisch umherlief, aber sie reagierte nicht. Statt sich um ihre Tiere zu kümmern, hatte sie sich umgezogen und lief plötzlich in schwarzen Kleidern durch das Haus, genau wie der falsche Munk. Er kam immerhin noch einmal in den Stall und auf die Wiese, kontrollierte die Wassertröge und brachte einen Eimer mit Körnerfutter, als hätte er tatsächlich
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