Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
Musik ab, und sie hörte ein heftiges Schnauben, gefolgt von einem mürrischen, vertrauten Grunzen.
»Kann man dich eigentlich keinen Moment aus den Augen lassen, Babe?« Lunke drängte sich vor sie und versperrte ihr den Weg. »Seit wann verschlägt es ein kleines rosiges Hausschwein auf einen Friedhof der Menschen? Willst du am helllichten Tag Knochen ausgraben?«
Knochen ausgraben? Kim schaute sich um. Nun, da keine Musik mehr spielte, bemerkte sie die merkwürdigen Steine, die sich den breiten Weg entlang reihten, und eine kleine offene Halle, die voller Menschen war, die auf Bänken saßen und andächtig vor sich hin starrten.
»Es ist nur wegen der Musik«, murmelte sie, ohne dass Lunke sie verstehen konnte.
Er grinste. »Hast die Tüte gefunden, schätze ich.«
Sie nickte, aber sogleich verdüsterte sich ihr Gesichtsausdruck. »Hat komisch gerochen – irgendwie gar nicht nach dir.« Argwöhnisch schaute sie ihn an, doch er reagierte auf diese verdeckte Frage gar nicht. Die Wunde am Kopf war kaum mehr zu sehen; eigentlich sah er überhaupt nicht aus, als hätte er gestern gegen einen Menschen wie Kroll gekämpft.
Lunke sagte nichts, sondern trabte an der Mauer entlang in Richtung Wald.
»Kann schon sein«, meinte er dann. »Hatte sie irgendwo liegengelassen.«
Kim konnte förmlich riechen, dass er log. Sollte sie ihn direkt fragen, wer denn seinen Weg kreuzen konnte, da er doch angeblich stets ohne jede Gesellschaft durch den Wald lief? Nein, niemals würde sie sich die Blöße geben, eine solche Frage zu stellen. Es war ihr im Grunde auch vollkommen gleichgültig, ob es da eine andere gab, irgendeine wilde Schwarze, die er vermutlich genauso belog wie sie.
Sie wollte sich schon abwenden, um allein den Weg zurück zum Stall einzuschlagen, als die Musik wieder anfing zu spielen.
Wie schön das war! Die Luft wurde erfüllt von diesen wunderbar zarten Klängen. Bäume wiegten ihre Blätter im Wind, Blumen öffneten ihre Blüten, und Vögel sangen ganz weit oben am Himmel und flogen noch elegantere Kreise. Selbst Lunke war stehen geblieben und lauschte. Am liebsten hätte Kim mitgesungen, so wie in dem gefliesten Raum, als ihr Gesang die rothaarige Frau herbeigelockt hatte, doch plötzlich bog ein weißer Wagen mit eingeschalteten Scheinwerfern mitten hinein in die wundervoll wogende Musik.
»Ebersbach und Kroll!«, zischte sie Lunke zu, und sie schafften es gerade noch, sich hinter der Backsteinmauer in Sicherheit zu bringen.
Statt der Musik war im nächsten Moment eine tiefe, volltönende Männerstimme zu vernehmen, die den Namen »Robert Munk« aussprach und ihn dann einen begnadeten Maler nannte, dem Gott der Herr ein tragisches Schicksal auferlegt habe, das allen Menschen Rätsel aufgebe.
Kim spähte um die Mauer herum. Das Gerede vom Friedhof interessierte sie nicht; viel wichtiger war es herauszufinden, warum Kroll gekommen war.
Mit düsteren, entschlossenen Gesichtern stiegen Ebersbach und Kroll aus dem Auto. Wortlos schritten sie auf das Tor zu. Ebersbach warf eine Zigarette weg, und Kroll schaute sich um, als müsse er kontrollieren, ob sie jemand beobachtete. Auf seiner Stirn leuchtete noch immer das weiße Pflaster. Kim vermochte im letzten Moment den Kopf zurückzuziehen.
»Komm, lass uns in den Wald verschwinden«, raunte Lunke hinter ihr. »Sind zu viele Menschen in der Nähe. Das gibt nur Ärger!«
»Gleich«, antwortete Kim im Flüsterton. Ihre Neugier war geweckt und ließ sich nicht mehr besänftigen. Langsam trippelte sie zurück, die Mauer entlang und zum Tor, um auf den Friedhof blicken zu können, wo Ebersbach und Kroll verschwunden waren.
»Du bist wirklich verrückt geworden«, zischte Lunke ihr nach, aber irgendwie meinte sie in seinem Tonfall eine gewisse Bewunderung zu vernehmen.
Sie sah, wie Ebersbach und Kroll auf die Halle mit den Menschen zusteuerten. Immer wieder blickte Kroll sich um. Erwartete er, dass Lunke wieder von irgendwoher auf ihn einstürmte? Fast sah es so aus. Kim kicherte vor sich hin. Ein ausgewachsener wilder Schwarzer konnte selbst einem Menschen Respekt einflößen.
»Komm schon!«, quengelte Lunke hinter ihr. »Ich rieche Ärger, eine Menge Ärger, und heute muss ich nicht …«
»Sei still!« Kim konnte nun Kaltmann ausmachen, der sich als Erster nach Kroll und Ebersbach umschaute.
Der Mann mit der volltönenden Stimme vorne in der Halle hatte aufgehört zu sprechen. Musik hob wieder an, dunkler und noch trauriger, aber nun war Kim nicht
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