Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
Haderers Stelle eingenommen. Forschend sah er sich dabei um, als suche er etwas. Ja, auch vorher hatte er schon einen forschenden Eindruck gemacht, wenn er den Stall betreten hatte, fiel Kim nun auf.
Später sah sie, wie der zweite Munk und Dörthe den Hof in ihrer schwarzen Kleidung verließen. Die beiden stiegen jedoch nicht in Dörthes Kabrio, sondern gingen zu Fuß, Seite an Seite, allerdings mit einem gehörigen Abstand.
Er ist ein Mörder, sagte Kim sich, man muss vor ihm auf der Hut sein, obschon er uns zu fressen gegeben und den Stall sauber gemacht hat. Er hat seine Frau mit einem Messer getötet.
Unschlüssig, was sie nun tun sollte, sah sie sich nach den anderen um. Doktor Pik war wieder im kühlen Stall verschwunden, die kleine Cecile schlief, Brunst beugte sich laut schmatzend über den Eimer mit dem Körnerfutter, und Che schritt auf der Wiese hin und her und sprach mit grimmigem Gesicht vor sich hin. Wahrscheinlich suchte er immer noch nach dem ersten oder dem zweiten Satz seines Vermächtnisses.
Kim hatte mittlerweile Übung darin, durch das Loch zu schlüpfen. Sie wandte sich zum Hof hin, schlich durch den Wald und hatte Dörthe und den falschen Munk bald im Blick.
Dörthe sah vollkommen verändert aus; ihr rotes Haar war hochgesteckt, sie trug einen schwarzen Hut und einen Rock, in dem sie sich kaum bewegen und lediglich kurze, nervöse Schritte machen konnte. Sie roch auch, wie sie noch nie gerochen hatte – wie ein ganzer Lavendelbusch.
Der zweite Munk schritt neben ihr. Er roch nach Schweiß, als sei er aufgeregt.
»Ich weiß nicht«, sagte er, zögernd und mit Ungeduld und ein wenig Unsicherheit in der Stimme. »Ich habe Robert gehasst. Was werden die Leute denken? … Sollte ich nicht lieber im Haus bleiben … Bei den Schweinen fühle ich mich wohler. Vielleicht sollte ich Schweinezüchter werden, so etwas in der Art …« Er blieb stehen und breitete die Hände aus.
Für einen Moment war er Kim beinahe sympathisch, doch dann sagte er: »Die Leute in dieser Gegend essen gerne Schweinefleisch – da könnte man sicher eine Menge Geld verdienen.«
Dörthe blieb ebenfalls stehen und blickte ihn böse an. »Morgen wird das Testament eröffnet. Vielleicht hat Robert Ihnen ja etwas vermacht. Ich weiß, dass ihm leid tat, dass Sie acht lange Jahre im Gefängnis waren. Er hat überlegt, ob er Sie abholen solle, aber dann hat er sich nicht getraut.«
Der falsche Munk lachte auf. »Ja«, sagte er, »das kann ich mir denken. Er hat meine Frau getötet und ist davongekommen …«
»Reden Sie nicht so!«, fuhr Dörthe ihn an, dann ging sie mit kurzen, ärgerlichen Schritten weiter die schmale Straße hinunter. Sie schien keine Angst vor dem falschen Munk zu haben. Kein einziges Mal drehte sie sich um, während sie auf das Dorf zuging.
Kim folgte ihnen, dabei beherzigte sie Lunkes Methode, sich tief im Straßengraben zu halten. Vor dem Dorf waren Dörthe und der falsche Munk wieder auf gleicher Höhe. Sie bogen in einen Weg ab, der nicht asphaltiert war, und verschwanden schließlich hinter einer Backsteinmauer. Stolze Autos parkten da und blinkten in der Sonne, und immer mehr kamen angefahren. Menschen stiegen aus, die alle in Schwarz gekleidet waren, und reichten sich mit ernsten Gesichtern die Hand.
Kim überlegte, ob sie zum Stall zurückkehren sollte. Ein Schwein durfte hier auf keinen Fall entdeckt werden, und wenn so viele Menschen da waren, stand nicht zu befürchten, dass der zweite Munk Dörthe etwas antun würde. Und überhaupt war Kroll viel gefährlicher, wie sie mittlerweile zu wissen glaubte.
Oder sollte sie vielleicht in den Wald laufen und nach dem kleinen See suchen, wo sie und Lunke sich einmal gesuhlt hatten? Die bitteren Pflanzen würde sie aber nie wieder fressen, das hatte sie sich fest vorgenommen.
Glocken begannen zu schlagen, und plötzlich lag Musik in der Luft. Wunderschöne, sanfte Töne schwebten heran, krochen ihr ins Ohr und machten ihr Herz ganz leicht. Was geschah auf einmal mit ihr? Sie hob ihren Rüssel gegen den Wind und wurde eine andere: Sie war wieder jung, ein Ferkel voller Sehnsucht nach Leben, und ihre Mutter war da und lief ihr tatsächlich entgegen – über eine breite Dorfstraße, eingehüllt von Musik, von sanften, nie gehörten Tönen.
Atemlos kam Kim an der Backsteinmauer an, hinter der Dörthe und die anderen Menschen verschwunden waren. Hier musste irgendwo die Quelle der Musik sein. Als sie schon durch ein Tor laufen wollte, brach die
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