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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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nehme ich Hansaplast.«
    Will nickte. Es gab also doch noch Probleme im Leben, die man lösen konnte.
     
    Karl trieb sich irgendwo herum. Will versuchte Ordnung in das eigene Leben zu bringen. Das Schlimmste waren die Telefongespräche, obwohl die meisten sehr freundlich begannen. Die Kollegin vom Hauptstadtblatt etwa, mit der er nach manchem Konzert noch einen Sekt getrunken hatte, fragte, was er denn so mache, und klang fast so, als ob sie ihm auf die Schulter klopfen wolle für den mutigen Beschluß, frei zu arbeiten: »Ach, es ist schon wunderbar, wenn man sein eigener Herr ist. Keine Konferenzen. Keine neidischen Kollegen.«
    Will stimmte aus vollem Herzen zu. Es war wunderbar, von all dem alltäglichen Kleinkram verschont zu sein, mit dem der gemeine Arbeitnehmer terrorisiert wurde. Es war herrlich, ungestört arbeiten zu können. Und es war furchtbar, so entsetzlich allein zu sein dabei.
    »Mach mir ein Angebot, wenn du was hast. Du weißt doch – ihr Freien seid das Salz in der Suppe«, sagte Barbara zum Schluß. Daß er ihr bereits einen Beitrag angeboten hatte, mußte sie glatt übersehen haben.
    Er führte noch zwei, drei ähnliche Telefongespräche, bevor er sich der leichten Depression hingab, die sich seit den frühen Morgenstunden ankündigte. Er hatte keinen Job und keine Beziehung und war gestrandet bei einem Mann, den er liebte, ohne es zu wollen. Du hast kein Problem, sagte sich Will Bastian. Du bist das Problem.
    Als er am späten Nachmittag hörte, wie jemand die Wohnungstür aufschloß und Minuten später sein Vater den Kopf zur Tür hineinstreckte und »Stör ich?« fragte, war Will so erleichtert, daß er »Ich arbeite!« grummelte und so tat, als würde er in tiefer Konzentration am Schreibtisch sitzen. Fünf Minuten später ging er in die Küche, wo Karl die Kaffeemaschine eingeschaltet hatte. Kein Vergleich mit dem Espresso, den er früher getrunken hatte. Aber besser als nichts.
    Später machten sie sich einträchtig ans Abendessen – Will würfelte die Zwiebeln und arbeitete seinem Vater zu, der versuchte, aus den spärlichen Zutaten eine anständige Bolognese zusammenzurühren. Schließlich setzte Karl das Wasser auf und schüttete eine ganze Packung Spaghetti hinein. Will hatte sich verkniffen, das Ablaufdatum auf der Packung zu überprüfen. Er wollte diesen zarten Frieden nicht stören. Und er war kindisch froh darüber, nicht allein zu sein.
    Als es klingelte, sprintete Karl aus der Küche zur Wohnungstür. Will hätte sehr schnell sein müssen, um schneller zu sein. Er horchte dem Alten hinterher. Es war der Paketdienst. »Können Sie das tragen? Das ist verdammt schwer!« hörte er eine Frauenstimme. »Lassen Sie sich Goldbarren nach Hause liefern oder wollen Sie Blei gießen?« Will schämte sich fast seiner Neugier, die er ebenso erstaunlich wie unangemessen fand. Die Paketbotin rief heiter »Viel Spaß damit!« und schloß die Wohnungstür hinter sich. Als Will in den Flur trat, sah er, wie Karl versuchte, das Paket wie eine Jagdbeute übers Parkett in sein Zimmer zu schleifen. »Kann ich dir helfen?« Die Frage war scheinheilig. Der Alte schüttelte trotzig das weiße Haupt. Dennoch bückte sich Will und schob die Kiste von der anderen Seite. Sein Respekt vor modernen Paketbotinnen wuchs.
    In seinem Zimmer richtete Karl sich auf, strich sich das Haar aus dem verschwitzten Gesicht und sagte: »Danke, Willi.«
    »Soll ich dir …« Wills Neugier war mitnichten gestillt. Das Paket schien von einem Privatmann aufgegeben worden zu sein, Karlheinz Braun stand auf dem Absender, der Handschrift nach ein weder sehr gebildeter noch sehr junger Mann.
    »Wie ich schon sagte: Danke!«
    Jedenfalls läßt sich der Alte keine Plastik-Barbie von Beate Uhse schicken, dachte Will und fragte sich, wie lange er selbst wohl den frauenlosen Zustand ertragen würde ohne – na ja: Gegenmaßnahmen.
    In der Zwischenzeit waren die Spaghetti weich gekocht – windelweich. Und die Bolognese war angebrannt, was gut so war, da mußte man nicht nachwürzen. Will aß und schwieg. Dafür, daß sein Vater das Kochen erst nach dem Tod seiner Frau hatte lernen müssen, verdiente der Alte eigentlich ein Lob.
    »Schmeckt hervorragend, Vater.«
    Karl brummte zufrieden und schnitt sich eine weitere Portion Spaghetti klein. Will goß sich vom Rotspon seines Vaters ein. Mittlerweile war es ihm fast egal, was er trank.
    Du läßt nach, Will, dachte er, als er nach dem Essen mit dem Alten auf dem Balkon stand und die

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