Saupech (German Edition)
Groß, kräftig, dunkles Haar, immer akkurat geschnitten. Selbst in den dreckigen Arbeitsklamotten sah er gut aus. Seltsam, dass er nie eine Frau gefunden hatte. Er war wohl mit seinem Betrieb verheiratet. Und außerdem ein großer Schweiger.
»Hallo, Toni! Stör ich?«
»Nein. Ist schon alles vorbei.«
»Mei, ist das süß! Gab’s Probleme?«
»Diesmal nicht.«
Er erhob sich und band die blutige Gummischürze ab.
»Was führt denn dich zu mir?«
»Nur ein paar Fragen.«
»Schieß los!«
»Du hast sicher gehört, dass der Hias tot aufgefunden wurde. Die Grete hat uns erzählt, dass er bei dir gearbeitet hat. Hast du ihn nicht vermisst?«
»Der Matthias ist tot? Das kann ich gar nicht glauben. Der war doch noch topfit!«
»Er ist auch nicht einfach gestorben, er wurde ermordet.«
»Meine Herren, wer tut denn so was?«
»Das fragen wir uns alle. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Ist er dir nicht abgegangen?«
»Nein. Er hat vor vier Wochen bis zum Montag, das war, glaub ich, der Fünfundzwanzigste, bei mir gearbeitet. Er hat neue Boxen für die Pferde gebaut. Zwei Ponys und dieser kleine Bursche da brauchten einen eigenen Verschlag. Die hat mir der Matthias gezimmert. Ich hab dafür die Grete zu ihrer Rehabilitation gebracht und den Matthias außerdem noch gut bezahlt. Am Dienstag wollte er im Wald anfangen.«
»Das hat er anscheinend auch getan. Aber nicht lang. Dann hat ihm wer das Licht ausgeblasen.«
»Das tut mir ehrlich leid. Er war ein hervorragender Tischler. Und ein netter Kerl.«
»Ja, das war er. Danke, dass du mir Auskunft gegeben hast. Jetzt verstehe ich, wieso er niemandem abgegangen ist.«
Toni wusch sich im Waschbecken an der Stirnseite des Stalls die Hände.
»Kann ich sonst noch was für dich tun? Willst auf ein Glaserl Wein ins Haus kommen?«
»Ein andermal gern, Toni, aber heute muss ich weiter. Meine Kollegin ist krank, und ich bin allein im Amt. Da muss ich pünktlich nach der Mittagspause zurück sein.«
»Na dann! Lass dich wieder mal blicken. Vielleicht willst reiten lernen?«
»Geh weiter! Mit siebenunddreißig werd ich anfangen, vom Pferd zu fallen!«
»Jaja, ich hab g’hört, du fallst lieber von deiner Maschin.«
»Bis jetzt hab ich das vermeiden können. Und ich hoff, das bleibt so. Immerhin wirft mich die nur ab, wenn ich blöd fahr. Also, man sieht sich.«
Toni legte zwei Finger an die Schläfe und winkte ihr einen lässigen Gruß zu.
25
Agnes stand unter der Dusche, als das Telefon bimmelte. Sollte sie rausspringen und nass durch die Gegend hüpfen? Nein. Wenn es wichtig war, würde sich der Anrufer sicher nochmals melden. Und wenn es Anselm war? Dann war es jetzt auch zu spät, denn der Klingelton endete abrupt.
Agnes spülte das restliche Shampoo vom Kopf und kletterte aus der Kabine. Sie wand ein Handtuch wie einen Turban um ihr nasses Haar und hüllte sich in ein dickes, flauschiges Badetuch. In dem Moment läutete das Telefon schon wieder.
Sie nahm ab und hörte durch Rauschen und Knacken eine fremde Stimme.
»Wer spricht? Ich kann Sie nicht verstehen!«
»Leif Østergard hier, von der Neumayer-Station«, drang es plötzlich ganz klar an Agnes’ Ohr.
»Ja, bitte?«
Sie ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. Anselm?
»Es tut mir leid, ich habe eine ziemlich schlimme Nachricht für Sie.«
»Nein! Was ist mit meinem Bruder?«
»Er ist seit heute früh vermisst.«
Vor Agnes’ Augen tanzten weiße Sterne. Nicht auch noch Anselm. Das halt ich nicht aus!
»Was heißt vermisst?«, krächzte sie in den Apparat.
»Zwei Wissenschaftler sind nach einem Außeneinsatz nicht rechtzeitig zurückgekehrt. De Bontemps und zwei weitere Männer gingen raus, um sie zu suchen und zurückzubringen. Zwei Männer kamen zurück und hatten einen der Wissenschaftler dabei. Die Wissenschaftlerin und Ihr Bruder kehrten nicht heim, und ein weiterer Suchtrupp blieb ebenso erfolglos.«
»Und was heißt das jetzt?«
»Nun, sehen Sie … die Temperaturen liegen derzeit bei minus dreiundvierzig Grad, Tendenz fallend. Dazu bläst ein strammer Wind. Wenn sich Ihr Bruder und die vermisste Frau nicht in ein Gebäude oder eine Höhle retten konnten, dann sind sie innerhalb kürzester Zeit erfroren.«
Agnes schluchzte trocken auf. »Aber er könnte auch noch leben, oder?«
»Könnte, ja. Doch die Chancen stehen eins zu einer Million.«
»Und wer sucht jetzt weiter?«
Auf der anderen Seite blieb es still.
»Sind Sie noch dran?«, fragte Agnes.
»Ja. Das Problem
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