Saupech (German Edition)
ist, wir können niemanden mehr zur Suche abstellen. Das Wetter wird zunehmend schlechter. Wir müssen uns verbarrikadieren. Und wir können nicht riskieren, noch jemanden da draußen zu verlieren.«
»Das heißt, Sie suchen meinen Bruder nicht einmal?«
Agnes wurde bewusst, dass sie wie eine Irre in den Hörer brüllte.
»Wir haben getan, was wir konnten. Es tut mir leid.«
»Es wird Ihnen noch viel mehr leidtun, wenn Sie sich nicht in der Sekunde auf die Socken machen und einen Suchtrupp zusammenstellen. Anselm ist nicht tot!«
»Sorry.«
Der verdammte Scheißkerl hatte einfach aufgelegt! Agnes schluchzte laut auf und schleuderte das Telefon in hohem Bogen durchs Zimmer. Nicht auch noch Anselm! Nachdem sie doch eben Tante Leni verloren hatte.
Verdammt, was sollte sie tun, was konnte sie denn überhaupt tun, vom anderen Ende der Welt aus? Der Detektiv! Er musste dort hin. Er sollte einen Suchtrupp zusammenstellen. Er würde Anselm finden, tot oder lebendig. Nein, nur lebendig!
Agnes griff sich das Telefonkabel und zog damit den Hörer zu sich. Er hatte einen Sprung davongetragen. Doch das war ihr egal. Sie erreichte Wolfgang Schatz und trug ihm ihren Wunsch vor.
»Das kann ich nicht!«, stotterte der. »Ich habe keine Ahnung von der Gegend, ich kenn dort niemand, mir fehlt die geeignete Ausrüstung, das geht nicht.«
»Dann besorgen Sie sich das!«, schrie Agnes in höchster Verzweiflung. Warum wollte ihr denn kein Mensch helfen?
»Hören Sie, für diese Temperaturen braucht man ein Langzeittraining, und –«
»Das interessiert mich alles nicht. Mein Bruder ist da draußen in einer Schneehölle, und keiner hilft ihm. Tun Sie was, irgendetwas. Ich zahle, was immer Sie verlangen.«
26
Dorli saß beim Frühstück, Lockenwickler im Haar, den Bademantel offen, darunter einen geblümten Pyjama. Idefix lag unter dem Tisch, wärmte ihre Füße und knabberte hingebungsvoll an einem Kauknochen.
»Na hör mal, sabber nicht auf mein Schienbein!«
Sie schubste den Hund ein wenig zur Seite. Der sprang auf, als hätte sie ihn getreten.
»Wuffel, was ist mit dir los? Das war doch nur ein ganz leichter Knuff!«
Doch Idefix musste etwas gehört haben. Er startete zur Tür und bellte.
Als Dorli die Eingangstür öffnete, fiel ihr ein verknautschter Lupo entgegen, der aussah, als hätte er die Nacht im Straßengraben verbracht.
»Was soll … soll ich nur tun?«, stotterte er ihr statt eines Grußes entgegen.
»Hereinkommen!«, entgegnete Dorli trocken. »Und dann erzählen. Schön langsam und der Reihe nach.«
Sie geleitete Lupo in die Küche, stellte eine Kaffeeschale vor ihn auf den Tisch und füllte sie mit frisch gebrühtem Kaffee.
»Semmerl dazu?«
Normalerweise hätte sie jeden, der es wagte, sie bei ihrem heiligen Wochenendfrühstück zu stören, ungespitzt in den Boden gerammt. Doch Lupo sah derart derangiert und neben der Spur aus, dass sich so etwas wie Mitgefühl in ihr Herz schlich.
»Sie will, dass ich in die Antarktis geh«, murmelte Lupo undeutlich.
»Das habe ich mir bei einigen Verehrern früher auch gewünscht. Aber ich kenne keinen, der das je ernst genommen hätte.« Dorli konnte ein belustigtes Grinsen nicht unterdrücken. Hatte der Bursche Liebeskummer?
»Nein, Sie verstehen das nicht. Ich soll ihren Bruder suchen.«
Also dienstlich. »Wissen Sie was? Fangen Sie mit dem Anfang an. Wer ist ›sie‹? Und warum sollen Sie den Bruder suchen?«
»Herrgott, warum hab ich den Auftrag nur angenommen?«
»Sie haben einen Auftrag für die Antarktis angenommen?« Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Der Typ war ja in gemäßigten Breiten kaum allein lebensfähig.
»Nein. Den vorigen.«
Dorli kannte sich jetzt gar nicht mehr aus.
»Und was hab ich damit zu tun?«, fragte sie.
»Zu wem sollte ich denn sonst gehen?«, fragte er und blickte sie mit Dackelblick an.
Ach so war das! Sie war jetzt die österreichische Ausgabe der Klagemauer! Na, mit dem Kerl hatte sie sich schön was eingetreten.
Entschlossen zog sie ihren Bademantel dichter um ihren Körper, nestelte die Lockenwickler aus dem Haar und schob Lupo das Körberl mit dem Gebäck und den Teller mit dem Aufschnitt hin.
»Essen S’ einmal Frühstück. Ich zieh mich schnell an. Und dann reden wir.«
Lupo nickte, zerbröselte den Oberteil einer Semmel zwischen den Fingern und nippte am Kaffee. Sein Blick weilte in weiter Ferne.
Dorli, das wird ein hartes Stück Arbeit!
Als Dorli wieder in die Küche kam, hatte Lupo den Tisch leer
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