Saure Milch (German Edition)
am
Samstagmittag. »Für das Straßenfest«, fuhr er fort, als Fanni ihn verständnislos
anstarrte.
Sie hatte es ganz und gar vergessen, dieses jährliche Straßenfest,
das immer am Wochenende vor Sonnwend gefeiert wurde.
Fanni raste in die Küche. Sie schlug gerade das fünfte Ei in die
Rührschüssel, da sah sie auch schon Meiser, wie er seinen Zweitkühlschrank auf
einer Sackkarre aus der Garage rollte. Meiser steuerte auf den Wendeplatz am
Ende der Stichstraße zu, dorthin, wo zwischen den Häusern von Weber und Beutel
bereits drei Sonnenschirme standen.
Fanni verquirlte die Eier mit dem Zucker. Sie sah, wie Meiser
zurückkam und gleich darauf zwei Bierbänke vorbeikarrte. Frau Meiser lief neben
ihm her und trug die Polsterauflagen.
Der Teig war noch nicht in der Form, da schwankte ein Biertisch auf
Meisers Sackkarre; Frau Meiser schleppte einen blauen Sonnenschirm.
Beim nächsten Blick aus dem Fenster sah Fanni die beiden mit einer
Lichtergirlande und einem Korb voller Gläser vorbeiziehen. Fannis Mann folgte
ihnen mit einem Sack Holzkohle.
Fanni stellte den Kurzzeitwecker auf 45 Minuten und setzte
sich solange mit Grisham auf die Terrasse.
Es ging auf acht Uhr hin, die Sonnenschirme waren bereits
zugeklappt, die Nackensteaks vertilgt, und Frau Meiser sagte zum sechsten Mal
»pietätlos«.
Fanni sagte gar nichts und wünschte Böckl insgeheim Erfolg für
seinen Plan. Böckl war diesen Morgen nach Klattau gefahren.
Seit Meiser vor drei Stunden das erste Glas Bier aus dem Fässchen
gezapft hatte, wurde die Sensation gehandelt: Böckl beabsichtigte, eine von
Mirzas Schwestern zu fragen, ob sie nicht zu Bene auf den Hof kommen wolle, als
Verwandte, als Angestellte oder, wenn es nach Böckl ginge, als Benes Ehefrau.
Böckl kennt Mirza besser, als er zugegeben hat, überlegte Fanni, wie
könnte er sonst wissen, wo ihre Schwestern zu finden sind?
Links neben ihr setzte sich Meiser gerade in Szene. »Das hab ich
immer schon gesagt«, rief er in die Runde, »dass der Böckl kein Niveau hat. Die
Erste ist noch nicht einmal unter der Erde, da will er uns schon die nächste
Dirne nach Erlenweiler bringen.«
»Ich glaube, eine Schwester von Mirza auf dem Hof, das würde dem
Bene guttun«, warf Fanni ein. »Das wäre, als würde ein Stück von Mirza zu ihm
zurückkommen.«
»Pietätlos«, wiederholte Frau Meiser.
»Überhaupt«, unterbrach Herr Meiser seine Frau, die schon die Lippen
zu einem weiteren »Pi« schürzte, »für meinen Geschmack mischt sich der Böckl
ein bisschen viel ein in die ganze Angelegenheit. Letzte Woche erst hat er mit
seinem Köter auf Ihrem Grundstück herumgeschnüffelt, Frau Rot. Ich würde mir
das nicht bieten lassen.«
»Ich sollte wohl ein Stück von Frau Pramls Kirschtorte probieren«,
murmelte Fanni und verließ den Platz zwischen Meiser und seiner Frau.
Sie trieb sich eine Weile am Kuchenbüfett herum und linste zu den
drei Biertischen hinüber. Herr und Frau Meiser redeten inzwischen auf Frau Molk
ein, die Meiser auf Fannis Platz komplimentiert hatte. Gegenüber unterhielt
sich Fannis Mann mit Herrn Stuck. Am nächsten Tisch saßen Pramls und ihnen
gegenüber Kundlers. Fanni steuerte auf die Gruppe zu, und Frau Praml rutschte
ein Stückchen zur Bankmitte, sodass sich Fanni neben sie setzen konnte.
Herr Kundler und Herr Praml sprachen über Pirelli-Reifen.
»Meiser betitelt Böckl als Mädchenhändler«, informierte Frau Praml
Fanni über den aktuellen Gesprächsgegenstand am Nebentisch.
»Ich halte das für verleumderisch«, sagte Frau Kundler, »Herr Böckl
will das Mädchen ja nicht zwingen, zu Bene auf den Hof zu kommen. Das kann er
gar nicht.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass Mirzas Schwester keinen schlechten
Tausch macht, wenn sie herkommt«, sagte Frau Praml.
»Sie werden vermarktet und zugrunde gerichtet, die Mädchen in
Tschechien«, stimmte ihr Frau Kundler zu. »Viele Freier, heißt es, die über die
Grenze hinüberfahren, verlangen nach ganz jungen Mädchen, Kindern! Kriminell
ist so etwas, charakterlos.«
»Ach«, seufzte Frau Praml, »sie sind eben Lüstlinge, die Männer,
allesamt.«
Fanni nickte pflichtschuldigst, stand auf und begann, leer gegessene
Kuchenteller abzuräumen. In ihrem Rücken hörte sie Meisers Stimme:
»Den neuen Geländewagen hat Böckl von seinem Kumpan, dem Zacher
Frieder aus Regen, diesem Schlitzohr.«
Fanni spitzte die Ohren und klaubte Krümel vom Tischtuch. Frau
Kundler sah sie irritiert an.
»Der Zacher hat mehr Dreck am
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