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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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und
außerdem bin ich für Ermittlungsarbeit nicht ausgebildet. Dafür ist die Polizei
da.«
    »Hat dich Papa in die Mangel genommen?«, fragte Leni und sprach nach
einer Pause weiter, weil Fanni schwieg. »Sei nicht so ein Angsthase, Mama. Häng
dich rein in die Sache, ich wette, es macht dir sogar Spaß.«
    Fanni schluckte.
    »Lass deinen Sprudel grübeln und tüfteln«, meinte Leni, »du musst
ihm nur den Zündstoff liefern, ein Geistesblitz hier, eine extravagante
Hypothese da, und schon winkt der Erfolg. Bloß nicht schwach werden. Tschüss,
Mami.«
    Aufgelegt. Fanni musste grinsen. Für extravagante Hypothesen war sie
genau die Richtige.
    Schon kurz nach ein Uhr mittags stieg Fanni in ihren
Mitsubishi. Sie wollte sich noch vor dem Treffen mit Sprudel im Gartencenter
nach einem Trockengesteck umsehen – vorsichtshalber.
    Als sie den Wagen die Zufahrt hinunterlenkte, merkte sie, dass etwas
nicht stimmte.
    Läuft irgendwie nicht rund, dachte Fanni. Sie erwog, anzuhalten und
nachzusehen, ob sich von außen etwas Ungewöhnliches erkennen ließe. Bevor sie
sich dazu durchringen konnte, geriet Frau Praml in ihr Blickfeld, die wild mit
einem Handbesen gestikulierend im Vorgarten stand. Fanni trat auf die Bremse
und starrte ihre Nachbarin an. Es dauerte eine Weile, bis sie merkte, dass Frau
Pramls Handbesen zwar Kreise und Schleifen in der Luft beschrieb, aber immer
wieder zu einem bestimmten Punkt zurückkehrte und dort für einige Augenblicke
hängen blieb. Dieser Ruhepunkt befand sich auf einer gemeinsamen Linie mit dem
rechten Vorderrad von Fannis Auto.
    Sie stellte den Motor ab, stieg aus, und sofort hörte sie das Wort
»Platten«.
    »Sie haben einen Platten, Frau Rot!«, kreischte Frau Praml. »Und was
für einen! Die ganze Luft ist komplett raus. So können Sie keinen Meter mehr
weiterfahren.«
    Fanni wankte um die Kühlerhaube herum und glotzte verstört auf ihren
lädierten Reifen. Heftig schoss ihr durch den Kopf, dass Sprudel nun vergeblich
auf sie warten würde. So, wie das Rad aussah, konnte sie nirgendwo hinfahren,
und Reifenwechseln gehörte nicht zu Fannis Talenten.
    Obwohl Frau Praml lauter röhrte, als Benes Notstromgenerator das
tat, falls er angeworfen wurde, drang der Sinn ihrer Worte um Längen verzögert
bei Fanni ein.
    Frau Praml hatte gefragt, ob Fanni auf dem Weg zu einem Termin
sei – Arzt?, Zahnarzt?, Friseur?
    Fanni nickte mehrmals.
    »Ich hole meinen Mann«, bot Frau Praml an, »der wechselt das platte
Ding da im Nu aus.« Sie ließ den Handbesen fallen und rannte davon.
    Fanni seufzte auf und dankte sämtlichen himmlischen Heerscharen,
dass Herr Praml nachts arbeitete, vormittags schlief, nachmittags verfügbar war
und eine ganze Menge von Maschinen und dergleichen verstand.
    Im nächsten Augenblick bog er mit einem Werkzeugkoffer in der Hand
um die Ecke der Praml’schen Garage. Als er den Wagenheber am Mitsubishi
ansetzte, erschien auch Frau Praml wieder und erzählte Fanni des Langen und
Breiten davon, wie sie selbst einmal einen Platten gefahren hatte.
    »Auf dem Parkplatz vor der Schule, Frau Rot, das müssen Sie sich mal
vorstellen, da lagen Nägel, Tausende!«
    Herr Praml zog am Ersatzreifen bereits die Muttern fest. Dann stellte
er das Rad, das er abmontiert hatte, auf, rollte es kleine Stückchen vor und
zurück und beäugte es kritisch.
    »Eigenartig«, meinte er nach einer Weile, »der Reifen ist völlig
zerschnitten. Sind Sie durch einen Scherbenhaufen gefahren, Frau Rot?«
    Fanni schüttelte den Kopf. Dann bedankte sie sich überschwänglich
für seine Hilfe. »Wie kann ich mich bloß revanchieren?«, fragte sie.
    »Oh, da wüsste ich schon was«, antwortete Herr Praml. »Sie haben mir
letzten Winter, als ich den losen Deckel von Ihrer Mülltonne wieder
festgeschraubt habe, ein Glas selbst gemachte Himbeer-Kirsch-Marmelade gegeben.
Das war was Feines. Die Kinder sind auch ganz wild drauf gewesen. Haben Sie
noch was übrig davon?«
    Fanni lachte, rannte ins Haus und in den Keller. Zwei Minuten später
reichte sie Herrn Praml ein Holzkistchen, in das sie vier volle
Marmeladengläser gestellt hatte.
    »Zu viel!«, zierte sich Herr Praml.
    »Keinesfalls«, lächelte Fanni, »ich wollte, ich könnte mich besser
erkenntlich zeigen.«
    Sie öffnete die Wagentür und stieg ein. Die Uhr am Armaturenbett
zeigte 13:40 an. Sie würde
pünktlich zu ihrem Treffen mit Sprudel kommen. Das Trockengesteck musste
allerdings warten.
    »Äh, Frau Rot«, sagte Herr Praml, bevor sie die

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