Saure Milch (German Edition)
an.
»Null negativ allerdings«, fügte er nach einer Pause hinzu.
»Der Stein ist nicht die Tatwaffe«, flüsterte Fanni.
»Bleibt die Frage«, sagte Sprudel, »wer hat hier Blut gespendet?«
»Meiser hat seine Frau angezapft«, schlug Fanni vor.
»Nein«, sagte Sprudel, »Frau Meiser hat AB ,
das wissen wir von Meisers Stammtischfreund, dem Wachtmeister. Meiser erzählt
nämlich regelmäßig alle paar Wochen, dass seine Frau einmal einem
Verkehrsopfer, einem Kind, das Leben gerettet hat. Nirgends war eine AB -Konserve vorrätig. Die Ärzte dachten, das Kind
würde nicht durchkommen. Aber eine der Krankenschwestern aus dem Behandlungsteam
kannte Frau Meiser und wusste von ihrer seltenen Blutgruppe. Sie rief bei ihr
an, und innerhalb von Minuten kam Frau Meiser, spendete ihr Blut und rettete
damit das Kind.«
»Ich kann sie nicht mehr hören, Meisers Hirngespinste«, stöhnte
Fanni.
»Diese Geschichte stimmt«, sagte Sprudel, »sie ist aktenkundig.«
Sie saßen in dem Café an der Landstraße, weil es den ganzen
Vormittag geregnet hatte und auf den Wanderwegen tiefe Pfützen standen.
»Sprudel«, sagte Fanni gereizt, nachdem sie minutenlang auf das
restliche halbe Stück Sachertorte auf ihrem Teller gestarrt hatte, »wir haben
nur lose Fäden in der Hand. Die ergeben überhaupt kein Muster. Und ich habe
nicht die kleinste Idee, wie wir sie sinnvoll zusammenfügen sollen.«
»Wir könnten«, überlegte Sprudel laut, »einfach ein paar
Behauptungen aufstellen, die uns zutreffend erscheinen. Dann nehmen wir die
losen Enden und knüpfen sie dran. Mal sehen, was dabei herauskommt.«
Fanni nickte ihm erleichtert zu.
Sprudel zog ein Blatt Papier aus seiner Jackentasche, faltete es
auseinander und begann zu schreiben:
Hypothese I : Klein ist nicht der Täter.
Hypothese II : Mirzas Bruder Karel hat mit Mirzas
Tod nichts zu tun.
Hypothese III : Mirza wurde von einem der Nachbarn
erschlagen:
1. von Böckl
2. von Meiser
3. – »Nehmen wir Praml
mit ins Programm?«
»Kann ja nicht schaden«, sagte Fanni, »und der Vollständigkeit
halber auch noch Kundler und Rot.«
Sprudel nickte.
3. von Praml
4. von Kundler
5. von Rot
Hypothese IV , Motiv: Der Täter wollte ein
Schäferstündchen mit Mirza, dazu hat er sie unter einem Vorwand in sein Haus
gelockt. Mirza hat sich widersetzt, er hat sie erschlagen,
a) weil sie gedroht hat, die Sache herumzuerzählen
b) aus Wut über die Zurückweisung
Zusätzliche Feststellung:
Es gibt Widersprüche zwischen den Aussagen von Böckl und Meiser über
das Zerwürfnis der beiden. Einer von ihnen lügt:
a) Böckl lügt
b) Meiser lügt
Sprudel legte den Stift weg. »Und jetzt bauen wir ein, was wir
wissen!«
»Böckl«, begann Fanni, »hat kein Alibi. Er hätte leicht Gründe
finden können, die Mirza zu ihm ins Haus geführt hätten. Er ist stark genug,
jemanden mit einem Stein zu erschlagen, und vermutlich kaltblütig genug, danach
den Unschuldigen zu spielen. An Böckls Brunnenrand wurde von Meiser ein Stein
mit einem Blutfleck gefunden, der aber nicht die
Tatwaffe ist. Berücksichtigt man jetzt den Zwist zwischen Meiser und Böckl,
dann drängt sich der Verdacht auf, dass Meiser seinem Nachbarn die Tat anhängen
will. Warum?
a) Weil er Böckl wegen des Streits eins auswischen will,
b) weil er es selber war und nicht mehr sicher sein kann, dass Klein
wegen der Tat angeklagt wird.«
»Exzellent, Miss Marple«, grinste Sprudel. »Die Umstände führen uns
zu Meiser. Er hat ein Alibi, aber ein zweifelhaftes. Wenn seine Frau abends
getrunken hat, dann war sie womöglich vormittags um zehn noch gar nicht
ansprechbar. Wir wissen zwar nicht, womit er Mirza hätte anlocken können, aber
erfinderisch, wie er ist, wäre ihm sicher etwas eingefallen. Dass ihm der Sinn
mehr nach Mirza stand als nach seiner alkoholisierten Frau, wäre verständlich.
Meiser gibt gern den hilfreichen, edlen Ritter, diese ganze Fassade wäre
zusammengebrochen, hätte ihn Mirza bloßgestellt. Er ist stark genug, jemanden
mit einem Stein zu erschlagen, und er ist listig genug, danach den Unschuldigen
zu spielen. Fakt: Meiser wollte uns eine falsche Tatwaffe unterjubeln:
a) absichtlich,
b) unbewusst, denn er ist der Gute und hat den Stein wirklich ganz
zufällig gefunden.
Welchem der beiden Fäden folgen wir?«
»a)«, verlangte Fanni, »weil Meiser vorzugsweise lügt.«
»Gestatten Sie eine Zwischenbemerkung, Miss Marple«, sagte Sprudel.
»Meiser lügt nicht, Meiser modifiziert die Wahrheit.
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