Saure Milch (German Edition)
betreibt einen Schleichhandel mit seinen Kumpanen in
Tschechien, dagegen wäre der Schwarzmarkt ‘46 bloß Kinderkram
gewesen. Die Strolche handeln heutzutage mit Drogen, mit Kindern und sogar mit
Organen. Bringt angeblich eine Menge Geld, so eine frische Niere.«
»Unser Nachbar Meiser scheint mir besser informiert als der BND «, meinte Fanni dazu.
Ihr Mann lachte, trank sein Bier aus und sagte: »Dem Meiser entgeht
gar nichts. Letzte Woche hat er meine Fanni im Garten von Böckls herumstreunen
sehen. Das hat er mir heute auf dem Kommissariat erzählt. Wolltest du Himbeeren
klauen?«
Fanni verzog sich schleunigst in die Küche und räumte die Teller in
die Spülmaschine. Als sie zurückkam, um die Schüsseln zu holen, fragte ihr
Mann:
»Sag, Fannilein, hast du eigentlich Angst, wieder eine Leiche zu
finden, wenn du dich in die Nähe der Johannisbeerstauden wagst? Ganze Trauben
von Beeren sind schon heruntergefallen. Sobald sie am Boden ankommen, platzen
sie auf. Ein Haufen roter Matsche mit Grashalmen dazwischen, ist das vielleicht
deine neueste Methode, Marmelade zu machen?«
»Der Bastelkurs«, sagte Fanni, »ich bin einfach nicht zum Einkochen
gekommen. Aber gleich morgen früh geht es los.«
Fanni brachte das Wochenende über den Johannisbeeren hin. Am Montag
standen sechzehn Gläser mit leuchtend roter Konfitüre auf der Anrichte: vier
für jedes von Fannis Kindern, drei für Fanni und ihren Mann und eines für die
Weihnachtsplätzchen.
Am Dienstag begann Fanni, die Kirschen zu entsteinen, die ihr Mann
nun täglich vom Baum pflückte. Am Donnerstag legte sie das zwanzigste
Dreihundertgrammpäckchen vakuumverschweißt in die Tiefkühltruhe, für
Kirschkuchen, für Zuppa Romana, für Kirschkompott zu Eis, Pudding und
Pfannkuchen, die Kinder würden sich freuen.
Am Freitagmorgen ging Fanni zum Friseur. Nein, nicht weil sie
besonders hübsch aussehen wollte bei dem letzten Treffen mit Sprudel. Sie
wollte für ihre Abwesenheit einen Grund angeben können, falls ihr Mann am
Nachmittag vor ihr nach Hause kam.
5.
Sprudel und Fanni trafen sich am Natternberg. Still
wanderten sie den Pfad zur Bergkuppel hinauf. Sie blickten nach Süden in die
Donauebene und nach Nordosten in den Bayerischen Wald, und sie erinnerten sich
an all die Plätze, an denen sie in den vergangenen Wochen gewesen waren.
Gemeinsam starrten sie auf die glitzernde Donau und auf das saftige Grün der Isarauen,
auf die weißen Wölkchen über den Vorbergen und auf die rot schimmernden Dächer
der Ortschaften. Als ihre Augen brannten, ließen sie sich im Schatten der
Ruinen nieder.
»Liebe Fanni«, sagte Sprudel, »der Fall ist aufgeklärt! Klein ist
entlastet. Er wird schon kommende Woche aus dem Krankenhaus nach Hause
entlassen. Inzwischen hat er sich recht gut erholt, und ab sofort wird es
bestimmt schnell weiter aufwärts gehen mit seiner Gesundheit. Er hat alles dir
zu verdanken, Fanni, und das weiß er auch. Und Fanni, du hast einen
Justizirrtum verhindert!«
Fanni lächelte verlegen.
»Hat Meiser gestanden?«, fragte sie dann.
»Es war gar nicht Meiser, der als Erster den Stein genommen und
gegen Mirza erhoben hat«, antwortete Sprudel.
»Böckl?«, rief Fanni erschrocken.
Sprudel schüttelte den Kopf. »Soll ich alles der Reihe nach
erzählen?«
Fanni nickte bloß, und Sprudel begann. »Die DNS aus der Gewebeprobe, die in der Sandalenblüte konserviert war, stimmt
unzweifelhaft mit Meisers DNS überein. Als
gestern Morgen aus dem Labor das Untersuchungsergebnis bei uns eingetroffen
ist, haben wir Meiser und seine Frau sofort ins Kommissariat bestellt. Aber
eines war uns allen von vornherein klar: Mit dem Resultat der DNS -Analyse konfrontiert, würde Meiser seinen Kratzer
am Bein vorzeigen und behaupten, er wäre über Mirzas Fuß gestolpert, irgendwann
einmal, vor ein paar Wochen, als er gerade auf dem Klein-Hof war. Es stellte
sich uns also die Frage: Was sollten wir dann machen? Wir konnten ihm nichts
anderes beweisen. Praktisch gesehen hatten wir immer noch nichts Greifbares
gegen ihn.
›Wir haben die Tatwaffe‹, hat mein Kollege bemerkt, ›das sollte uns
weiterhelfen!‹ – ›Gut, zugegeben‹, hat der Staatsanwalt entgegnet, ›aber
die Tatwaffe ist kalt!‹
Der Stein aus deinem Komposthaufen würde gar nichts beweisen, das
lag auf der Hand. Andererseits wusste Meiser das nicht, und ebenso wenig wusste
er, dass wir den Stein hatten. Meisers Freund, der Wachtmeister, ist letzte
Woche vorsorglich in Urlaub
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