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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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gefahren, auf Anraten des Staatsanwalts. Meiser ist
seitdem von seiner Informationsquelle abgeschnitten.«
    Sprudel holte Atem und sprach dann schnell weiter, weil er merkte
wie gespannt Fanni lauschte.
    »Der Staatsanwalt, mein Kollege und ich, wir haben uns letztendlich
entschlossen, zu bluffen. Meiser sollte während der Vernehmung den Eindruck
gewinnen, wir hätten auf dem Stein Gewebespuren von ihm selbst und Blut von Mirza gefunden. Auf ein Geständnis wagten wir
zwar mit diesem Trick nicht zu hoffen, aber vielleicht, meinte der
Staatsanwalt, würde Meiser nervös genug werden, um sich irgendwie zu verraten.
Zum Beispiel dadurch, dass er unbedacht den Fundort der Tatwaffe nannte, den
wir wohlweislich für uns behalten wollten. Mein Kollege wollte Meiser
vernehmen. Ich sollte mich unterdessen mit Frau Meiser beschäftigen. Sie musste
doch, verkatert oder nicht, an jenem unseligen Vormittag einiges mitbekommen
haben.«
    Sprudel sprang auf, weil inzwischen eine Ameisenarmee auf seinem
Hosenbein Manöver hielt. Er führte Fanni zu einer Steinbank und wedelte trockene
Blätter und braune Fichtennadeln weg, bevor sie sich setzten durfte.
    Wie oft hat er das so gemacht in den vergangenen Wochen?, dachte
Fanni. Und trotz aller Aufregung über Sprudels Bericht wurde ihr bohrend
bewusst, dass es heute das letzte Mal sein würde.
    »Frau Meiser hat eindeutig nach Schnaps gerochen«, erzählte Sprudel
weiter, »als sie um elf Uhr vormittags zu mir ins Büro kam. Sie muss zu Hause
noch schnell ein Gläschen gekippt haben. Wir sind uns an meinem Schreibtisch
gegenübergesessen, sie und ich. Um Zeit zu schinden, habe ich in meinen
Papieren herumgeblättert. Ich habe nämlich ehrlich gesagt keinen Schimmer
gehabt, wie ich die Sache mit Frau Meiser anpacken sollte.
    Natürlich hatten wir beide – der Kollege und ich – eine
Heidenangst, alles zu verpatzen. Wir fürchteten, dass Meiser schon eine halbe
Stunde später hämisch grinsend nach Hause marschieren würde.
    Ich bin also ziemlich ratlos dagesessen und habe mir Frau Meiser
angeschaut. Sie klebte ganz vorne an der Stuhlkante und hat an ihrem Daumen
genagt. Abnorm mager ist die Frau, man könnte fast sagen ausgemergelt. Wangen
und Nase sind mit geplatzten Äderchen durchzogen. Sie hat gezuckt und mit den
Füßen gescharrt, und ihre Blicke sind vom Fenster zur Tür und vom Aktenschrank
zur Pinnwand geschossen, als suche sie ein Schlupfloch. Frau Meiser hat mir
richtig leidgetan, Fanni.
    Wie gesagt, ich wusste überhaupt nicht, wie ich anfangen sollte.
Dabei war mir klar, dass der erste Satz entscheidend sein konnte.
    Auf das, was ich letztendlich von mir gegeben habe, hätte ich
bestenfalls ein Schulterzucken erwartet. ›Der Stein‹, habe ich zu Frau Meiser
gesagt, ›der seit dem 9. Juni bei Rots an
der Hauswand fehlt, der hat uns eine ganze Menge erzählt.‹
    Fanni, ich war nicht im Mindesten auf Frau Meisers Reaktion gefasst.
Tränen, Schluchzen, Gestammel und noch mehr Tränen. Ich war völlig verdattert.
    Ich saß einfach da und ließ sie schniefen und brabbeln, weil mir
nichts Besseres einfiel. Mit der Zeit habe ich aus dem Gewimmer dieses und
jenes Wort herausgehört: ›Rufmord‹ zum Beispiel, ›Drang‹ und ›Leidenschaft‹,
›Ruin‹. Aber was sollte ich damit anfangen?
    Ich war noch ratloser als zuvor. Da habe ich auf einmal einen
kompletten Satz verstanden: ›Es musste sein, sie hätte ihn ins Gefängnis
gebracht!‹
    Das war so etwas wie ein Geständnis, kein Zweifel. Aber wie, in
Gottes Namen, sollte ich Frau Meiser dazu bringen, zu reden ?
Irgendwie war mir klar, dass ich mit Fragen nicht weiterkommen würde, und
deshalb habe ich es mit Zustimmung versucht. ›Natürlich musste das sein, Frau
Meiser, das ist doch klar.‹
    Das stundenlange Hin und Her, das dann kam, will ich dir ersparen,
Fanni. Frau Meiser hat geheult und geredet und wieder geheult. Es war drei Uhr
am Nachmittag, als ich endlich die ganze traurige Geschichte kannte.«
    Sprudel rückte näher an Fanni heran und nahm ihre Hand in die seine.
Dann sprach er weiter. »Meiser hatte, wie es oft so ist, mit den Jahren das
Interesse an seiner Frau verloren. Im Gegenzug fing sie an zu trinken, und
Meiser sah sich anderweitig um. Er musste nicht lange suchen, der tschechische
Straßenstrich liegt ja nur eine knappe Autostunde von Erlenweiler entfernt.
    Es lief jahrelang recht gut. Frau Meiser hatte ihren Schnaps und
Herr Meiser seine Mädchen.
    Es lief so lange gut, bis Meisers Mädchen

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