Sautanz (German Edition)
Fuß –«
»Unwahrscheinlich, bei dem Seegang!«, unterbrach ihn Beat.
»Aber möglich wäre es?«, hakte Lupo nach.
»Rein theoretisch jo. Mit emene Neoprenanzug auf alli Fäll. De Erich hät immer zwei Anzüg an Bord g’habt, fürs Surfen. Aber es isch schwierig. No dazue bi Dunkelheit.«
»Danke für die Auskunft.«
Lupo legte das Handy auf den Tisch und lehnte sich in seinem alten Lehnstuhl gemütlich zurück. Nebenan plärrte der Fernseher, als stünde er direkt im Zimmer. Irgendeine Show mit kreischendem Lachen des Publikums. Herrgott, wenn er sich doch nur eine ruhigere Wohnung leisten könnte! Man konnte ja keinen klaren Gedanken fassen bei dem infernalischen Krach. In diesem Augenblick begann die Alte auf der anderen Seite wieder mit ihrer Tochter zu brüllen, die nicht weniger lautstark antwortete. Dann schlugen die Türen, eine der beiden Frauen schrie auf. Es krachte, als hätte jemand etwas aus dem Fenster auf die Straße geworfen. Danach wurde es auf dieser Seite still. Hatten sie sich jetzt endlich gegenseitig umgebracht? Vielleicht konnten sie das mit dem Fernsehfreak auf der anderen Seite auch noch tun!
Lupo versuchte sich zu konzentrieren. Wenn es so gewesen wäre, wie er vermutete, dann könnte man das nie und nimmer beweisen. Es gab keinen Zeugen, der das Schiff oder seine Besatzung gesehen hatte, als es den Hafen verließ. Vermutlich weil es nach Einbruch der Dunkelheit geschehen war.
Warum war Erich Smekal an diesem Abend überhaupt aufs Boot gekommen? War er verabredet? War er vor irgendwas oder irgendwem auf der Flucht?
Oder lag Lupo komplett falsch, und es war doch ein Unfall gewesen? Mist.
17
Als Lupo am nächsten Morgen Dorli abholte, war sie ziemlich schweigsam. Irgendwas schien sie zu bedrücken. Lupo war unsicher, wie er darauf reagieren sollte. Ausnahmsweise war er sich keiner Schuld bewusst.
Er nahm sich ein Herz und schilderte ihr seine Überlegungen vom Vorabend. Das riss sie aus ihren Gedanken, und die übliche Lebhaftigkeit kehrte zurück. Es schien also tatsächlich nicht an ihm zu liegen.
»Sollten wir nicht doch die Polizei einschalten?«, fragte Dorli.
»Das ist eine knifflige Frage. Eigentlich sollten wir. Aber unser Auftraggeber Beat Eberli sagt Nein. Er will erst mehr wissen. Ich begebe mich da auf dünnes Eis. Denn wenn die Polizei drauf kommt, dass ich sie nicht verständigt habe, als neue Fakten auftauchten, werden sie mir Schwierigkeiten machen. Wenn ich allerdings zur Polizei gehe, ist der Auftrag weg.«
»Den du brauchst wie einen Bissen Brot?«
»So ungefähr. Außerdem hat mich der Fall irgendwie in den Bann gezogen. Ich will selbst wissen, was mit dem Smekal passiert ist.«
»Na gut. Auf dein Risiko.« Dorli schmunzelte. »Wie ich sehe, sind wir auf dem Weg nach Katzelsdorf. Besuchen wir die Witwe?«
Lupo nickte. »Wir fragen sie nach Smekals Kreditkartenabrechnungen.«
»Verstehe. Du meinst, wenn er mit der kleinen Bergmann im Outlet in Parndorf war, hat er wahrscheinlich auch etwas gekauft.«
»Gut kombiniert, Watson.«
Dorli warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Verbindlichen Dank, Sherlock. Ihre Anerkennung bedeutet mir viel.« Und dann prustete sie los.
Sie lacht wieder. Für Lupo fühlte sich das an, als wäre eben die Sonne aufgegangen.
Anja Smekal sah immer noch aus wie die ältere Schwester von Gevatter Tod. Das Haus stank nach wie vor undefinierbar muffig, und aufgeräumt hatte vermutlich seit Wochen niemand. Ein zufällig vorbeikommender Besucher würde wohl annehmen, dass die Putzfrau überraschend gestorben war und nicht der Hausherr.
Zu den Rändern von Gläsern auf dem Tisch im Wohnzimmer hatten sich leere Bierdosen und alte Pizzakartons gesellt. Dem Geruch nach zu schließen, züchtete die Restfamilie hier Schimmelpilze. In fast jedem Obdachlosenquartier unter einer Brücke war es vermutlich gemütlicher als hier. Zumindest wäre die Luft dort besser.
Anja Smekal war ganz und gar nicht erfreut, dass Lupo und Dorli schon wieder etwas von ihr wollten.
»Wozu soll das denn wieder gut sein?«, fragte sie unwillig.
Lupo lächelte sie freundlich an. »Wir rekonstruieren die letzten Tage Ihres Mannes. Wir hoffen, dass wir dadurch herausfinden, was mit ihm geschehen ist.«
Anja Smekal nickte müde. »Na ja, vielleicht finden Sie was.«
Sie stand auf und führte Lupo und Dorli in einen finsteren Raum. Sie drehte das Licht auf und zeigte auf einen Schreibtisch, dessen Platte von ungeöffneten Postsendungen
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