Sautanz (German Edition)
war sich zwar keiner Schuld bewusst, trotzdem fühlte sie sich unbehaglich, indirekt an Lupos Kummer und dessen Folgen schuld zu sein. Für den Moment war es wahrscheinlich besser, sich ihrem Fall zu widmen. Vielleicht vergaß er dann eine Weile sein ramponiertes Ego und das Selbstmitleid.
»Also, was ist jetzt unser letzter Stand?«, fragte Dorli ihn betont munter.
»Wir warten immer noch auf die Telefonauswertung von Lukas Smekals Handy.«
»Können wir sonst was tun außer warten?«
»So, wie’s ausschaut, können wir zwar derzeit davon ausgehen, dass Lukas Smekal möglicherweise der Mörder seines Vaters war. Vielleicht von Natascha zu dem bereits tödlich verwundeten Mann hingelockt. Aber wir haben keinen einzigen Beweis in der Hand.«
»Mist.«
Dorli hatte ein flaues Gefühl im Magen.
Just in dem Moment läutete Lupos Handy. Er meldete sich wie immer mit »Schatz?«, mit dem Erfolg, dass wieder einmal aufgelegt wurde.
»Verdammt, net scho wieder!«, murrte er.
»Na dann meld di halt wie a normaler Mensch. I tät a auflegen, wenn mi ana mit ›Schatz?‹ anraunzen tät.«
Bevor Lupo irgendetwas entgegnen konnte, läutete das Telefon erneut. Er hob ab, meldete sich mit Vor- und Zunamen und lauschte eine Weile. Er wurde weiterverbunden, dann versuchte er Einwände vorzubringen und verabschiedete sich schließlich, sichtlich gestresst.
»Was ist los?«, fragte Dorli.
»Das war Beat Eberli.«
»Ja und?«
»Unser Auftrag ist beendet.«
»Wie bitte? Warum denn das?«
»Ich kann dir nur wiederholen, was er gesagt hat. Sein Freund ist tot und begraben, und er will die Familie nicht weiter belasten. Sie hätten genug Leid durch den Tod des Gatten und Vater erlitten. Egal, was auf dem Boot passiert sein mag, Anja und Lukas müssen wieder zur Ruhe kommen. Er ist bereit zu akzeptieren, dass das Ganze ein Unfall war.«
»So ein Holler ! Verstehst du das, Lupo?«
»Nein.« Und nach einer kurzen Pause »Vielleicht doch.«
»Also was jetzt?«, fragte Dorli.
»Nun, Lukas ist ja nicht blöd. Falls ihm seine Freunde erzählt haben, dass wir die Lücke in seinem Alibi entdeckt haben, kann er sich ausrechnen, wie lange es noch dauert, bis wir die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Wenn er seine Mutter entsprechend bearbeitet hat, dann hat die vielleicht Beat Eberli gebeten, die Reißleine zu ziehen.«
»Glaubst du, die Mutter hängt mit drin?«
»Nein. Aber sie hat ihren Mann verloren. Sie will nicht auch noch den Sohn verlieren.«
»Oh Mann! Was tun wir denn jetzt?«
»Weitermachen. Das kann mich zwar vielleicht meine Lizenz kosten, aber ich werd nicht so kurz vor dem Ziel aufgeben.«
»Ich bin dabei, Lupo. Was unternehmen wir als Nächstes?«
»Wir tun so, als hätte Beat uns nicht erreicht, und besuchen Anja Smekal.«
36
Anja Smekal sah noch schlimmer aus als die ersten Male, die Lupo und Dorli sie gesehen hatten. Sie war totenblass, ihr Haar hing in fettigen Strähnen herunter. Bekleidet war sie mit einer bekleckerten grünen Trainingshose, einem zerknautschten rosa T-Shirt, das aussah, als hätte sie es aus dem Humana-Container gefischt, und darüber trug sie eine blitzblaue Weste, deren Knöpfe schief zugeknöpft waren. Sie musste mindestens zehn Kilo abgenommen haben. Alles an ihr hing wie die Lumpen an einer Vogelscheuche, und ihr Gesicht sah grau und eingefallen aus.
Der Gestank im Haus hatte sich intensiviert. Als würde der Mistkübel im Wohnzimmer aufbewahrt, ohne Deckel. Dorli fragte, ob sie kurz lüften dürfte. Als Anja Smekal nur desinteressiert mit den Schultern zuckte, riss Dorli alle Fenster im Wohnzimmer auf. Kalte klare Luft strömte herein, begleitet von einem Hauch von Holzrauch.
»Nehmen Sie doch bitte Platz«, begann Lupo das Gespräch mit der Frau, die eigentlich das größte Interesse daran haben sollte, dass der Mord an ihrem Mann aufgeklärt wurde.
Anja hockte sich an den äußersten Rand eines Ohrensessels. Sie sah aus, als wäre sie bereit, sofort die Flucht zu ergreifen, wenn das nötig war.
»Frau Smekal«, nahm Lupo erneut Anlauf. »Im Moment deutet vieles darauf hin, dass Ihr Sohn Ihren Mann getötet hat.«
Anjas Mund klappte auf und wieder zu, ohne dass ein Ton über ihre Lippen kam. Dann ging ein Ruck durch ihren Körper. Sie straffte sich, setze sich richtig aufrecht in den Sessel und sprach mit leiser, aber klarer Stimme.
»Ich war’s.«
Dorli trat einen Schritt näher. »Sie waren es sicher nicht. Wie hätten Sie Ihren Mann denn töten wollen?«
»Na, mit
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