Savannah
silbernen Strähnen hing jetzt lose über ihre Schultern. Sie trug ein Nachthemd aus Flanell und darüber einen gesteppten Morgenmantel. Man hätte sie für ein junges Mädchen halten können, aber ihre blauen Augen verrieten jedes einzelne Jahr ihres Lebens. Als sie Savannah sah, streckte sie beide Arme aus - sie bat um Trost und bot ihn gleichzeitig an.
Savannah umarmte sie fest und liebevoll. »Wie geht es ihm?«, fragte sie, nachdem sie sich wenig später etwas voneinander gelöst hatten.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte June ernst. Sie ging nach hinten, wo sie und Jacob schliefen, blieb dann stehen und ging ein paar Schritte auf den Herd zu.
Savannah führte sie mitfühlend zum Schaukelstuhl. »Ich mache eine Tasse Tee.«
June setzte sich vor den Kamin - wo Savannah und Pres erst vor ein paar Stunden von Jacob McCaffrey getraut worden waren - und starrte ins Feuer. »Was würde ich ohne meinen Jacob anfangen?«, wisperte sie.
Savannah bereitete den Tee zu, als sie Toby bemerkte. Er hätte sich zwischen dem Ofen und der Wand verkrochen, die Knie zur Brust gezogen und den Kopf gesenkt. Der Junge schien völlig verzweifelt zu sein und als er aufblickte und Savannah mit seinen großen Augen traurig anschaute, drehte sich ihr das Herz im Leib um.
»Er ist stark«, sagte sie zuversichtlich. Das war alles, was sie dem Jungen im Moment anbieten konnte, alles, was er ihr vermutlich glauben würde. Sie hätte ihn gerne in die Arme genommen und getröstet, aber sie wusste, dass Toby so eine Reaktion von ihr nicht akzeptiert hätte.
Er nickte nur und legte seinen Kopf wieder auf die Knie.
Savannah brühte den Tee auf, füllte zwei Becher, den einen für June, den anderen für sich, fügte Zucker und Sahne hinzu und ging zum Kamin. Keine der beiden Frauen trank von dem Tee, aber manchmal war die Zeremonie des Teekochens wichtiger als das Getränk selbst - und dies war so eine Situation.
Der Stuhl quietschte leise, als June langsam vorwärts und rückwärts schaukelte, wobei sie immer noch ins Feuer starrte. »Wir waren gerade dabei, uns fertig zu machen, um ins Bett zu gehen«, sagte sie, wobei ihr Akzent, den sie in ihrer Jugend in den Bergen von Tennessee gesprochen hatte, stärker als gewöhnlich war. Das war natürlich ihrer Verzweiflung zuzuschreiben. »Jacob presste plötzlich eine Hand auf seine Brust und sagte: >Ach, June, ich fühle mich gar nicht wohl.< Das war alles. Er war ganz bleich geworden, legte sich hin und schloss die Augen, um zu schlafen, aber ich habe sofort gesehen, dass er große Schmerzen hatte - entsetzliche Schmerzen. Und als es nicht besser wurde, habe ich Toby geweckt und ihn zu Trey geschickt« Sie schaute Savannah an, zwinkerte ein paar Mal und schluckte. »Ich war so durcheinander, dass ich ganz vergessen hatte, dass wir ja jetzt einen Doktor in Springwater haben.«
Savannah beugte sich vor und streichelte Junes Arm. »Wollen Sie denn nicht zu ihm ins Zimmer gehen und an seinem Bett sitzen?«
»Jacob hat mir gesagt, dass ich nur im Weg sein würde. Er meinte, ich soll dem Doktor Platz machen, damit der ihn in Ruhe untersuchen kann.« In Junes Augen glitzerten plötzlich Tränen und sie legte ihre Hand mit gespreizten Fingern auf ihren Busen, als wollte sie ihrem Herzen befehlen, nicht nur für sie, sondern auch für Jacob zu schlagen. »Ich sage Ihnen, was ich denke ... Ich denke, dass Jacob nicht will, dass ich zusehe, wenn er stirbt. Der alte Dummkopf. Er ist manchmal schrecklich eitel und hochmütig, obwohl er doch einen besonderen Draht zur Welt unseres Herrn hat.«
Savannah hätte gerne mit ihrer Freundin geweint, aber das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Pres war mit Jacob im Schlafzimmer der McCaffreys und er tat sicher alles, was in seiner Macht stand - und Savannah hatte großes Zutrauen in seine Fähigkeiten als Arzt. Je der in Spring water hatte dieses Vertrauen, denn Pres hatte oft genug bewiesen, was er konnte, als er Cowboys behandelt hatte oder sich liebenswürdig um die kleinen Beschwerden der alten Siedler gekümmert hatte. Im Augenblick war es wohl klüger, dachte Savannah, wenn sie ihre Gefühle im Zaum hielt und June half - so weit das überhaupt möglich war.
»Wenn jemand Jacobs Leben retten kann, dann Pres«, sagte sie leise.
June nickte. »Der Doktor und der Herr. Auf die beiden kommt es jetzt an, auf den Doktor und den Herrn - und auf Jacob selbst natürlich.«
Es schienen Stunden vergangen zu sein, bevor Pres endlich aus dem Krankenzimmer kam,
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