Savinama - Der Wächter: Fantasy-Roman (German Edition)
ihre in die seine legte, schaute sie ihn noch einmal an.
„Warum tut ihr das?“, fragte sie leise, fast schon verschüchtert.
„Ich weiß es nicht.“ Ineana hörte Unsicherheit in seiner Stimme, doch gerade sie war es, die dazu führte ihm ganz zu vertrauen und so berührte sie ihn.
„Aé“, sagte sie leise. Ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen begleitete die ersten Ströme, die sie fühlte. Sie versuchte nicht weiter an ihrer Furcht festzuhalten, sondern ließ ihre Grenzen los und schloss die Augen. Er hatte ihr auf dem Fest vertraut, und wenn Shorbo recht hatte, dass dieser Mann nur ein Spiegel ihrer selbst sein konnte, so gab es nichts, was Ineana fürchten musste, außer sich selber. Die Priesterin kicherte und holte tief Luft. Fast wie ein Lufthauch an einem Frühjahrsmorgen wurde ihre Seele vorsichtig und warm berührt, was ihr fast den Atem raubte. Sie legte ihre ganze Liebe hinein, die sie für den verlorenen Sohn empfand, und konnte fühlen, dass Energieströme des Vigils die ihren weit übertrafen. Sie spürte eine solche Kraft, dass es wehtat, presste die linke Hand an die Brust und hielt den Atem an. Der Stab begann zu leuchten. Das Licht überflutete den Boden, begann den Körper der Frau wie kleine Wellen zu umwandern und mit ihm erklangen uralte Stimmen durch die Nacht. Sie kamen aus der Luft, dem Wasser, dem Boden unter ihr und zogen sie fort.
„Was ist das?“, ruckartig wirbelte Arthol herum und presste Failess die Hand auf den Mund. Er sah das junge Mädchen beschwörend an. Als sie erschrocken nickte, ließ er sie wieder los. Das Strahlen wurde heller und übertrug sich nun auf die beiden Gestalten, die so dicht beieinander standen, dass man sie in der fast vollkommenen Dunkelheit der Nacht nicht mehr auseinander halten konnte. Doch in dem Licht der Magie konnte Arthol sehen, dass der Wächter angestrengt die Augenbrauen nach unten gezogen hatte. Selbst der Kreisführer Liyiells konnte auf seinem abgelegenen Platz die Kraft fühlen. Magier wurden, wenn sie zu viel Energie verbrauchten, durch sie innerlich verbrannt. Was empfand der Wächter in diesem Augenblick, denn durch die Verbindung mit der Priesterin nahm er auch Gefühle wahr?!
„Geh nach Hause Failess“, flüsterte er leise.
„Aber was …?“
„Vertrau mir einfach und erzähle niemandem, aber auch wirklich niemandem, davon. Versprich mir das.“ Das Mädchen starrte auf das seltsame Bild und blickte dann den Kreisführer wieder an. Er schmunzelte. „Ich denke, du wirst deinen Bruder bald wiedersehen.“ Er konnte nicht sagen, woher er diesen Glauben nahm. Vielleicht war es das erleichterte Lächeln, das auf Ineanas Gesicht sichtbar wurde, vielleicht nur Intuition. Failess nickte und verschwand in der Nacht. Arthol wandte sich auch zum Gehen, doch aus dem Augenwinkel sah er den Wächter schwanken und die Magierin fest an sich ziehen, ehe die starke Energie ihre Konturen endgültig verwischte.
„Du bist eine besondere Frau Ineana.“ Damit verschwand auch der Kreisführer Liyiells in der Nacht.
Es schien ewig zu dauern, bis es nachließ und wieder erlosch. Zögerlich öffnete Ineana die Augen. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust, der Stab war verschwunden und er hielt sie mit beiden Händen fest. Sein Kopf ruhte auf ihrem. Eine unglaubliche Tiefe lag in ihr und sie war sich sicher, dass es nicht nur das Wissen war, ihr Sohn lebe noch. Nicht nur das Wissen, der Wächter habe Shorbo in ihrem Namen und mit dem Geiste ausgesandt, Jeras in der Schlucht zu finden. All das hatte er für sie getan. Vorsichtig schaute die Priesterin auf.
„Danke“, flüsterte sie. Er nickte müde. Ineana kam wieder ihre Frage in den Sinn, warum er dies tat. Und seine Antwort. Konnte es sein, dass sich die anderen irrten? Shorbo behauptete, der Wächter konnte nur ein Spiegelbild ihrer selbst sein. Dass Savinama die Elemente war, die keine Worte für Gut oder Böse besaßen, und doch sah sie so viel mehr in diesen Augen, die an einen Wolf erinnerten.
Unendlichkeit? Konnte man sie in ein Bild fassen? Sachte hob sie eine Hand und berührte sein Gesicht. Fühlte wie der kurze gepflegte Vollbart in ihrer Innenfläche kitzelte. Die Haut fühlte sich warm und weich an wie ihre.
„Seid ihr wirklich nur ein Spiegel?“, flüsterte sie, erleichtert und glücklich, dass ihr Sohn nicht tot war. Tief in ihrem Inneren fühlte sie noch immer seine Energien und fragte sich in diesem Moment, wie viel der Wächter von ihr verstehen und fühlen konnte. Sie
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