Savinama - Der Wächter: Fantasy-Roman (German Edition)
presste sie aufgebracht hervor.
„Du wirst unfair. Ich weiß, dass es der Schmerz in dir ist, den du nicht wahrhaben willst ...“
„Du wagst es!“ Sie klang hysterisch und in dieser Sekunde holte Bevorash aus und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige, damit sie wieder zur Besinnung kommen möge. Fassungslos hielt sich die Priesterin die schmerzende Wange, starrte ihn an, drehte sich schließlich um und rannte hinaus.
„Ineana!“ Arthol hielt Bevorash am Arm zurück. „Lass sie, sie braucht etwas Zeit für sich, um es zu begreifen.“
Ineana rannte durch das Gras, ihre Augen waren blind vor Tränen. Die Sonne war fast untergegangen und erleuchtete den Himmel in letzten Rottönen. In diesem Moment konnte sie die Schönheit der Natur nicht wahrnehmen.
Am See angekommen kam sie ins Stolpern und fiel ins Wasser. Sie sprang auf, es stand ihr bis zur Taille. Wütend schlug sie immer wieder hinein.
„Das ist nicht wahr, er ist nicht tot. Nicht mein Sohn.“
Sie schluchzte auf, ließ sich auf die Knie fallen und griff sich tief in die Haare. Das kühle Nass tat fast schon weh gegen die Hitze in ihrem Kopf.
„Er darf es einfach nicht.“ Ihre Stimme war kaum noch ein Zittern. Die ersten Sterne funkelten bereits am Himmel und irgendwo in der Ferne erklang das leise Tschilpen eines Vogels. Welch eine Idylle, es strafte ihre Gefühle Lügen. Sie schienen sich über ihren Schmerz geradezu lustig zu machen. Ineana konnte die Sterne sehen, so nah und doch so unendlich fern. Was immer die anderen sagten, tief in ihrem Herzen war sie sicher, dass er noch lebte. Niemand durfte ihr das Wichtigste auf der Welt nehmen. Verzweifelt warf sie den Kopf zurück und schrie laut in die Nacht:
„Vigil, wie könnt ihr über Leben und Tod entscheiden? Wie richten und damit anderen Schmerz zufügen? Wie könnt ihr es wagen Urteil zu sprechen, ohne selber zu begreifen?“ Ineanas Stimme überschlug sich fast.
„Weil dies die Waage des Lebens ist, Anfang und Ende eines Ganzen.“ Sie wirbelte herum.
„So bin ich kein Einzelschicksal.“ Seine Worte klangen ohne die Spur eines Gefühls gleichgültig. Die Priesterin stolperte aus dem Wasser und blieb kurz vor ihm stehen. Das lange dunkle Haar lag schwer auf ihren Schultern und das Wasser tropfte von den Spitzen. Ihre smaragdgrünen Augen wirkten dunkel und müde. „Kein Einzelschicksal? Wenn ihr eine ganze Welt vernichtet, dann seid ihr für tausende Einzelschicksale verantwortlich, Savin!“ Er zog eine Augenbraue hoch, erwiderte jedoch nichts, blieb einfach vor ihr stehen, während ein leichter Wind den Saum seines weißen Mantels streifte. Die Hände unter dem Stoff verborgen wartete er.
„Ihr wollt mir erzählen das Leben zu verstehen? Ihr könnt nicht nachempfinden, wie sehr eine Mutter leidet, wenn ihr ein Kind genommen wird.“ Neue Tränen rannen über ihr Gesicht. Sie wollte ausholen, machte den Wächter in dieser Sekunde für ihren Schmerz und ihre Angst verantwortlich, doch im letzten Moment hielt er ihre Handgelenke fest. Ineana ballte die Hände erneut zusammen.
„Ihr habt keine Ahnung, was es heißt zu lieben! Nichts wisst ihr von Gefühlen!“ Er blickte zu Boden, fast als dachte er über ihre Worte nach. Doch dann schaute er sie wieder an und Unverständnis stand ihm ins Gesicht geschrieben, während er sie weiterhin festhielt.
„Warum trauert ihr um jemanden, dessen Leben noch nicht Einklang im Ende gefunden hat?“ Ineana wollte ihn gerade wieder anbrüllen, als sie plötzlich innehielt. Was hatte er gesagt? Sie riss die Augen auf. Nun legte er den Kopf etwas zur Seite und sah sie wieder an.
„Ihr lügt.“ Dies war nicht die Antwort, die er erwartet hatte.
„Welchen Grund hätte ich, euch unwahre Worte zu sprechen, Ineana?“
„Woher wisst ihr … Ihr könnt nicht wissen!“, bekräftigte sie entschlossen und ohne Hoffnung. Nun zögerte der Wächter, ließ ihre Handgelenke vorsichtig los, hob seine eigene Linke und darin erschien jener Stab, von dem ihr Arthol erzählt hatte. Mit seinem Erscheinen fühlte die Priesterin eine unglaubliche Energie. Savinama hielt ihr nun die Rechte entgegen, mit der Handfläche nach oben. Sie sah wieder diese Ruhe in seinen Augen, etwas Fragendes und gleichzeitig so viele Antworten. „Saharish, seht selber.“ Nun starrte Ineana ihn überrascht an. Sie konnte es nicht glauben. Der Wächter bot ihr an, sich mit seinen Strömen zu verbinden, um ihr zu zeigen, was er meinte. Zögernd hob sie ihre Hand, doch ehe sie
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