Savinama - Der Wächter: Fantasy-Roman (German Edition)
schon bald nach Hause zurückkehren kann. Bitte verlange keine Erklärung von mir, was geschehen ist. Ich könnte es nicht beschreiben.“
„Die Frage ist, was wird aus uns?“ Der Kreisführer blieb stehen, legte die Hände auf den Rücken und blickte ihr ruhig in die Augen. Sie verstand, dass er nicht sie oder ihn meinte, sondern die alte Welt.
Der Wächter. Ineana spürte ein merkwürdiges Gefühl, wenn sie an den Vigil dachte. Dieses stumme Fragen in ihm, die Suche nach seinem Verstehen. Wenn sie an seine kleinen Lachfältchen dachte, fiel es ihr schwer Tod und Untergang damit in Verbindung zu bringen.
„Ich weiß es nicht, doch sollte sein Erscheinen aus dem einen Grunde sein, dann sollten wir es, wie du sagtest, ohne Furcht sehen. Wenn ich eines begriffen habe, wir sind alle nur ein Teil des Kreislaufes.“ Arthol konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, auch wenn ein Hauch von Schwere blieb.
Die nächsten Tage erschien der Wächter nicht, doch Ineana wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war. Tief unter ihren Sachen lag noch immer sein Mantel versteckt.
Je öfter sie darüber nachdachte, wusste sie eigentlich nichts über ihn. Was genau war an jenem Abend geschehen? Trugen schlicht die Energien schuld daran? Oder etwa ihre heimlichen Gefühle für den Wächter?
Doch mit dem Verschwinden der Ströme des Wächters kamen die Schuldgefühle Gegenüber ihrem Mann. Sie kümmerte sich mehr denn je um ihre Familie. Ihre Tochter verweilte immer 10 Tage bei ihrem Lehrer, um dann drei Tage nach Hause zu kommen. Als Jeras aus Natriell zurückkehrte, fiel Ineana ein großer Stein vom Herzen und ihr Leben begann in normalen Bahnen zu laufen.
Die Priesterin stand hinter dem Haus und hängte frisch gewaschenes Leinen auf. Der Morgen war wundervoll mild und am Rande der Gebirge glaubte sie kurz den Schatten eines Drachen auszumachen. Der Wind wehte ihr schwarzes Haar ein wenig zurück. Plötzlich sah sie, wie sich die kleinen Härchen auf ihren Armen aufrichteten und fühlte in der Luft eine leichte Spannung wie von Elektrizität. Ihr Herz schlug heftig und ein Schauder jagte über den Rücken. Rasch rannte sie ins Haus, holte das weiße Bündel tief unten aus der Weidentruhe und huschte wieder hinaus. Doch abrupt blieb sie stehen. Ihr Mann war am Holzhacken für den Winter. An der Tür hielt sie inne und beobachtete ihn. Seine dunklen, sanften Augen. Die Art, wie er ihr kurz zunickte, ehe er sich wieder um die Arbeit kümmerte. Bevorash war kein schlechter Mensch. Er hatte sie immer fair und gut behandelt. Doch irgendwie lag in Ineana ein Gefühl, das sie kaum beschreiben konnte. Als fehlte ihr etwas in all diesen Jahren.
Und nun wurde ihr bewusst, was sie an Savinama so verunsicherte. Sie fühlte, dass sie es dort gefunden hatte und zuckte bei dieser Erkenntnis zusammen. Bisher war sich die Priesterin sicher, dass es schlicht Neugierde auf etwas Neues gewesen sei, auf das Außergewöhnliche, denn er war so anders in allem. Genau das aber war nur eine Ausrede in den letzten Tagen.
Ineana presste den Stoff fester an die Brust, sog den warmen Duft ein und schloss müde die Augen.
„Ich gebe ihm nur seinen Mantel zurück“, seufzte sie, eilte zu ihrem Mann und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich bringe den Stoff nur schnell zu Talasha rüber. Sie wartet schon darauf.“
„Sicher.“ Er lächelte sie an und schaute ihr nach, wie sie hinter dem Haus verschwand.
Ineana eilte die Steinstufen hinunter, die in den Hang eingelassen waren. Damit ihr Mann keine Fragen stellte, musste sie einen großen Bogen schlagen, denn die Freundin wohnte entgegengesetzt vom See. Wenn sie unten im Wäldchen ankam, würde sie einfach am Hang des Hügels zurückkehren, ohne dass ihr Mann sie vom Haus aus sehen konnte. Sie hatte die ersten Bäume gerade erreicht, als sie eine vertraute Stimme hörte.
„Ich denke, die Weite des Weges ändert nichts, wenn ich ihm entgegenkomme.“ Sie starrte ihn überrascht an. So viele gute Vorsätze, doch ein Blick in seine Augen reichte aus, jeden Gedanken an gute Vorsätze in weite Ferne zu schieben. Sie ließ den Mantel einfach fallen und begrüßte ihn mit einem feurigen Kuss, strich über seine Wange, den Hals und sog seinen warmen Duft ein, der ihre Sinne berauschte.
Überrascht von ihrer Heftigkeit kam er aus dem Gleichgewicht und prallte mit dem Rücken gegen einen Baum.
„Entschuldigt“, keuchte sie völlig außer Atem. Sachte nickte er und strich mit der Hand über ihr
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