Sawyer
sitzen.
Eine Stunde später saß Abbey auf dem Bett in ihrem Blockhaus und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Seit sie die Scheidung eingereicht hatte, war ihr nicht mehr so elend zumute gewesen. Genau wie damals musste sie sich eingestehen, dass sie einen Fehler gemacht hatte – einen von vielen.
Als sie sich entschlossen hatte, den Job anzunehmen, hatte sie jedoch das Gefühl gehabt, genau das Richtige zu tun.
Das Problem war, dass sie Hard Luck auf keinen Fall verlassen wollte. Sie hatte zu hohe Erwartungen gehabt und war daher von der Realität umso mehr enttäuscht gewesen. Allerdings war sie schon oft enttäuscht worden und hatte daraus gelernt. Genauso würde es diesmal sein.
Sie würde bleiben, egal, wie erpicht Sawyer O’Halloran darauf war, sie wieder loszuwerden.
Im Grunde war sie selbst schuld. Ihr Vater hatte sie davor gewarnt, dass an dem scheinbar großzügigen Angebot etwas faul sein musste. Aber es war nicht nur das gewesen, was sie nach Alaska gezogen hatte.
Sie wollte ihr Leben verändern und hatte gehofft, in einer echten Gemeinschaft zu leben, in der man seine Nachbarn kannte und sich auf sie verlassen konnte. Und die Gelegenheit, eine Bücherei allein aufzubauen und zu leiten, war die Erfüllung eines Traumes.
Sie, Abbey, war nach Hard Luck gekommen, weil sie geglaubt hatte, etwas verändern und ihren Kindern ein besseres Leben bieten zu können.
Obwohl sie genauso entsetzt über den Anblick des Blockhauses gewesen waren, hatten sie sich schnell wieder von dem Schock erholt.
„So schlecht ist es hier gar nicht“, hatte Scott erklärt, nachdem er mit Ronny Gold von seinem Streifzug zurückgekehrt war. Susan hatte in der Zwischenzeit Chrissie Harris kennen gelernt und sich sofort mit ihr angefreundet.
Als Abbey das Geräusch eines sich nähernden Transporters hörte, sprang sie erschrocken auf. Sie war noch nicht bereit für eine weitere Runde mit Sawyer O’Halloran!
Sawyer sprang aus dem Wagen, als wollte er so schnell wie möglich wieder weg. „Ihr Gepäck ist da.“ Bevor sie ihm helfen konnte, hatte er bereits alle Koffer abgeladen.
Abbey mochte ihn trotz allem. Als er ihr das Blockhaus gezeigt hatte, hatte sie den bedauernden Ausdruck in seinen Augen bemerkt. Vielleicht war es bloß Wunschdenken, aber er schien zu wollen, dass sie in Hard Luck blieb.
Obwohl er sie ständig kränkte und auf die Palme brachte, musste sie sich eingestehen, dass sie ihn gern besser kennen lernen wollte. Doch Sawyer O’Halloran hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich wünschte, sie würde wieder abreisen.
Nachdem er eine Weile dagestanden hatte, wollte er wieder fahren. Dann drehte er sich noch einmal um.
„Ich hätte diese Dinge vorhin nicht sagen sollen … Ich meine, dass Sie Christian getäuscht haben. Ich wusste, dass es nicht stimmt.“
„Soll das eine Entschuldigung sein?“
„Ja“, erwiderte Sawyer ohne Umschweife.
„Dann nehme ich sie an.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen.
„Sie müssen nicht in Hard Luck bleiben“, sagte er, während er ihr die Hand drückte. „Niemand würde es Ihnen übel nehmen, wenn Sie abreisen würden.“
Abbey hielt so lange den Atem an, bis ihre Lunge schmerzte. „Ich kann jetzt nicht mehr zurück.“
Sawyer ließ ihre Hand wieder los und fuhr sich über die Stirn. „Warum nicht?“
„Ich habe mein Auto verkauft, um das Flugticket für die Kinder bezahlen zu können.“
„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich für den Rückflug aufkommen würde.“
„Darum geht es nicht.“
Er schwang sich auf die Ladeklappe, und sie setzte sich zu ihm. „Ich möchte Ihnen helfen“, erklärte er.
Sie überlegte einen Moment, ob sie ihm erzählen sollte, wie viele Hoffnungen sie in ihren Neuanfang gesetzt hatte. Da er es früher oder später sowieso erfahren würde, konnte sie es ihm genauso gut jetzt sagen.
„Alles, was ich nicht mitnehmen konnte, habe ich per Schiff nachschicken lassen. Es wird also innerhalb der nächsten vier Wochen mit einem Transporter hierher gebracht.“
Sawyer schüttelte den Kopf. „Bestimmt nicht.“
„Aber das hat man mir gesagt!“
„Man wird alles nach Fairbanks liefern. Es gibt nämlich keine Straße nach Hard Luck.“
Für wie dumm hielt er sie eigentlich? „Christian hat mir gesagt, es gäbe eine unbefestigte Straße.“
„Die ist nur im Winter passierbar. Sogar der Dalton Highway, der sechsundzwanzig Meilen von hier entfernt ist, ist nur eine Art Schotterpiste. Die andere Straße ist
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