Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sax

Sax

Titel: Sax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
Vom Netzwerk:
konnte. Er zeichnete der weiblichen das Schnittmuster der Operation auf den Leib. Den künftigen Penis hatte er aus der Haut des Unterarms präpariert. Bevor er den gerollten Lappen abtrennte, hatte er die Harnröhre hineingezogen und die durchschnittenen Nerven und Blutgefäße mit farbigen Bändern markiert. Dann hatte er sie unter dem Mikroskop an den freigelegten weiblichen Genitalien mit ihren Pendants zusammengeflickt, nachdem er aus dem Rest der Schamlippen einen Hodenersatz modelliert und die Klitoris darin eingebaut hatte. Nach einem halben Jahr, wenn vom Wundschmerz nur noch Empfindlichkeit übrig war, würde sie dem neuen Körper ihre Erregung mitteilen. Dann sollte männlicher Betätigung nichts mehr im Wege stehen. Aber Florian würde ihr lebenslänglich mit Hormonen nachhelfen müssen.
    Keimdrüsen transplantieren können wir noch nicht, aber sonst ist er jetzt ein ganzer Mann. Die Brüste haben wir weggenommen.
    Was ist aus der Tätowierung geworden? fragte Hubert. Er wußte von Jacques, daß sich schon Flordeliza einen Soldatenkopf hatte tätowieren lassen, der mit dem Stern an der Mütze wie ein Rotarmist aussah; es war aber ein japanischer Offizier, den sie für ihren leiblichen Vater hielt.
    Alles kann er nicht haben, antwortete Tschirky unwirsch. – Er kann sich den Seeräuber ja wieder auftragen lassen.
    Wann kann ich ihn sehen? fragte Hubert.
    Du? fragte Tschirky erstaunt. – Besser nicht. Er verachtet dich zu sehr.
    Was
tut er? fragte Hubert zurück; jetzt war das Staunen an ihm.
    Es geht mich ja nichts an, sagte Tschirky.
    Bernhard, er kennt mich doch gar nicht, sagte Hubert erschüttert. – Was habe ich ihm getan?
    Frag Deirdre, sie ist der Vormund. Besser als Daniela.
    Wer sagt das?
    Jacques hat es so bestimmt, vor einer Woche, sagte Tschirky, eine Kopie liegt in meinem Safe. Das nennt man einen Letzten Willen!
    Davon weiß ich gar nichts, sagte Hubert.
    Tschirky war längst auf dem Sprung, er mußte operieren. Aber angesichts von Huberts Fassungslosigkeit hielt er noch einen Augenblick inne.
    Ich habe mich immer ein wenig über eure Beziehung gewundert, sagte er. – Jacques hielt dich für einen Opportunisten. Mit Florian kultivierte er ein bestimmtes Bild von Männlichkeit. Mit dir hatte es nichts zu schaffen.
    Es kommt vor, daß man sich in einer Freundschaft täuscht, fuhr er fort, als ihn Hubert sprachlos ansah. – Und was Florian betrifft: kennst du seine Geschichte als Straßenkind? Ich auch nicht, zum Glück – und damals war er noch ein Mädchen. Aber ich sehe etwas wie Totschlag in seinen Augen. Diese blanke Unschuld – Jacqueswar fasziniert davon. Aber sie ist lebensgefährlich, wie man sieht. Sei froh, daß du aus dem Spiel bist, mein Lieber. Eine Last weniger. Du hast immer noch Sidonie. Gibt sie dir nicht ausreichend zu tun? Du entschuldigst mich jetzt.
    Hubert ging ziellos in der Stadt herum; am Abend landete er, nicht mehr nüchtern, in der Bar des «Eckstein», wo Moritz abgestiegen war. Der Saal des «Eckstein» war in den sechziger Jahren Schauplatz der «Rotrecht»-Versammlungen gewesen und verschwunden, als das Haus für die Bedürfnisse Handelsreisender renoviert worden war. Moritz hielt ihm die Treue, weil er seine Anonymität schätzte. Aber um 22 Uhr war er noch nicht da. Ein Ledersofa aus alter Zeit stand noch zwischen Bar und Lobby, Hubert Achermann hörte dem schwerfälligen Ticken der Kastenuhr zu und nickte schließlich ein.
    Er erwachte am Hüpfen der Polster. Neben ihm saß Moritz und gähnte. Die Lobby lag gottverlassen im Sparlicht, selbst der Portier hatte sich zurückgezogen.
    Man würde nicht glauben, daß Jacques tot ist, sagte Moritz gähnend. – Er läuft Amok, schon die zweite Nacht. Gerade hat er Marybel ins Irrenhaus gebracht, ich kann sie erst herausholen, wenn es Tag wird. Aber nur, wenn sie mich eine Weile dortbehalten. Ich brauche auch meine Ruhe. – Du siehst aus, als verstündest du kein Wort.
    Hubert schüttelte den Kopf.
    Weck mich um sieben, wenn ich einschlafe, sagte er.
    Er habe schon auf dem Polizeiposten fast drei Stunden reden müssen, um Marybel wenigstens für die Psychiatrie zu retten. Dort höre man sich ihre Geschichte vielleicht mit klinischem Interesse an, in der Untersuchungshaft hätte sie sich um Kopf und Kragen geredet. Wenn eine Frau nicht amtlich nachweisen könne, daß sie Witwe sei, benehme sie sich besser nicht wie eine – besonders wenn andere Damen ähnlich auftreten.
    Bitte der Reihe nach, sagte

Weitere Kostenlose Bücher