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Sax

Sax

Titel: Sax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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Achermann.
    In der Nacht zum Mittwoch, um ein Uhr früh, wird Jacques indie Notaufnahme des Wacker-Spitals eingeliefert, nur notdürftig bekleidet, nämlich mit einer Kapuzinerkutte, und begleitet von einer Frau mit schweizerischem Namen, aber philippinischem Hintergrund, die nicht leugnen kann, daß er beim GV verstorben ist. Es handelt sich aber nicht um einen Mönch, sondern einen Dr. jur. Jacques Schinz, was er selbst nicht mehr bestätigen kann, denn er trägt kein Papier bei sich. Ein immerhin dubioser Tod, dem man durch Obduktion nachgehen muß. Nur das nicht! protestiert Michelle und hat eine Patientenverfügung des Verschiedenen bei der Hand, in dem er sich «im Todesfall jede Invasion meines Körpers» verbittet. Das Spital, selbst nur notfallmäßig besetzt, will den Fall durch nächtlichen Anruf bei seinem Hausjuristen lösen, Michelle aber alarmiert Deirdre und Daniela, die auch einen Doktortitel vorweisen kann. Die Damen kommen und sehen den toten Jacques aus seiner Kapuzinerkutte grinsen, bestätigen immerhin, daß er in Sachen Totenfrieden keinen Spaß verstand, was der verschlafene Spitaljurist, aus dem Bett gejagt, als unerheblich erklärt; wenn einer so dubios stirbt, besteht immer der Verdacht auf
foul play.
Auftritt Marybel, offenbar von ihrem Hausgeist geweckt, zu allem entschlossen und macht den Knoten unauflöslich. Sie verlangt in grellen Tönen, daß dem lieben Toten die gotteslästerliche Kutte sofort ausgezogen werde, denn sie weiß genau, in welchem Anzug er seinen letzten Weg gehen wollte: demjenigen, den er bei ihrer ersten Begegnung getragen hat und den sie als Reliquie verwahrt. Nun beginnen die Frauen um die Rüstung des Toten zu kämpfen, es ist vier Uhr früh, und der Nachtarzt aus Castrop-Rauxel versucht ein Machtwort: der Tote werde nun in einem spitaleigenen Hemd bis zur Bürozeit gelagert, dann seien die nötigen Entscheidungsträger wieder an Deck. Sofort vereinigen sich die trauernden Frauen in heiliger Empörung: Jacques ins Kühlschubfach? Nur über
ihre
Leiche! Inzwischen hat Marybel ihn, Moritz, aus dem Hotelbett im «Eckstein» geklingelt, und so wird die Bühne frei für einen Juristen, wenn auch ohne Vollmacht. Immerhin gelingt es ihm, den Hinterraum der Notfallstation mit seinem Auftritt noch einmal unsicherzu machen. Und auch in ihm vereinigen sich Schmerz und Lachen angesichts des unverbesserlichen Kapuziners zu einer Erschütterung ohnegleichen. Aber seine Urteilskraft reicht noch aus für einen salomonischen Schiedsspruch.
    Es traf sich gut, daß das Krankenhaus Wacker und das Krematorium Sommerau eine organisatorische Einheit bilden. Jacques kam in kein Schubfach, es wurde ein Kämmerchen in der Aufbahrungshalle für ihn aufgetan, wo er einstweilen seine Ruhe hatte, im günstigen Fall auch bis zum Tag der Kremation. Da lag er auch kühl genug, um Trauerbesuch zu empfangen. Und natürlich würde er da einstweilen nicht in der Leihkutte eines Ordensmanns liegen, sondern in anständiger Kluft. Was die Obduktion betreffe, werde die Untersuchung seiner Lebens- und Todesumstände ergeben, daß sie sich erübrige. Darüber rede Moritz, als Kompagnon des Verstorbenen, auch mit der Polizei.
    So kamen für den Augenblick alle Parteien ein wenig zu ihrem Recht, und auch todmüde waren inzwischen alle, außer Jacques, der sich darauf freuen konnte, daß gewiß noch etwas nachkam. Und es kam hageldick. Sein Sommerau-Kämmerchen wurde zur Umkleidekabine. Als erste erschien am Donnerstag um die Mittagszeit Michelle, diesmal mit drei Freundinnen und der Kutte, die nicht geduldet worden war. Während die Jüngste den Aufsichtsbeamten mit einem milden Flirt ablenkte, zogen die drei anderen dem Toten das läppische Rüschenhemd aus und versetzten ihn beinahe in den Zustand zurück, in dem er sie verlassen hatte. Sie verharrten eine Weile in Andacht vor dem stillen Mönch, gewiß, daß er in dieser gottgefälligen Tracht ohne Schaden an seiner Seele durch jedes Feuer gehen werde.
    Aber auch Marybel hatte nicht geruht. Sie hatte Jacke und Hose nicht weniger heiliggehalten, die er zum ersten Mal 1970 beim Einzugsfest an- und ihretwegen auch ausgezogen hatte. Eine juristische Vollmacht hatte sie nicht vorzuweisen; da nahm sie das heilige Recht selbst in die Hände, den Geliebten aus der Sommerau zu entführen, nur noch für eine Nacht. Auch Marybel hatte einen Helfer,Tim von der «Phryne SA», der als Erzeuger von
Games, Gadgets
und
Special Effects
seinesgleichen suchte. Ursprünglich

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