Sax
verlangte, dafür nämlich, daß er inMosbach
glücklich
gewesen sei. – Wenn jeder, der an irgendeinem Ort jemals glücklich gewesen ist, dafür ein Denkmal bekommen sollte, so würde es bald so viele Denkmäler geben wie – als dem OB kein Vergleich einfiel, habe Achermann nachgeholfen: wie Gräber, meinen Sie. Genau darauf käme es an: so viele Glücksmale wie Grabmale. – Wie Sand am Meer, habe er sagen wollen, entgegnete Hahn. – Sie täuschen sich, Herr Oberbürgermeister, die Glücksmomente sind rar, fast könnte man sie an den Fingern einer Hand abzählen, aber sie wiegen schwer.
Nun habe Hahn – wer hätte es nicht getan? – diesen Herrn samt Anhang entschieden aus seinem Büro komplimentiert. – Das werden Sie bereuen, soll Achermann gesagt und Hahn in seiner Entschlossenheit nur noch bestärkt haben. Er atmete auf, als diese Leute gegangen waren. Natürlich bedauerte er das hinterher.
Ob Achermann gefährlich gewirkt habe? – Nein. – Gefährdet? – Auch nicht. – Der Asiate hatte nichts Bedrohliches? – Seine Haltung war tadellos. – Kein Verdacht auf Geiselnahme? – Nicht der geringste. – Aber er habe den Begleiter nicht vorgestellt? – Mit keinem Wort. Um ehrlich zu sein: Hahn habe zuerst an ein schwules Paar gedacht. Die könnten inzwischen ja auch Kinder adoptieren.
Daß die neue Bundesrätin von der Gesellschaft ihres Mannes nichts wußte, war immerhin erstaunlich.
Was verschwieg sie?
Und siehe, jetzt tauchte, wie ein Spuk, ein Fahrzeug auf, das die Route der beiden – oder der drei – wiederherzustellen erlaubte. Es war auffällig genug: ein Rolls-Royce
Silver Cloud
des Jahrgangs 1962, der einem, außer bei Oldtimer-Rallies, nur alle Schaltjahre begegnet, weshalb insgesamt dreiundvierzig Handybesitzer das Fahrzeug abgelichtet hatten, teils in voller Fahrt, teils geparkt, doch immer mit Datierung auf die Minute. Danach war die Silberwolke am 23.11. um 15:37 – es war gerade noch hell – zu Todtmoos im Schwarzwald gesichtet worden, um 16:30 am Mummelsee und um 17:13, bereits im Blitzlicht, geparkt auf dem Parkplatz von Mosbach. Am 24. um 20:35 stand sie vor der Maria-Magdalena-Pfarrkirchezu Geldern am Niederrhein und verschwand dann bis zum nächsten Tag, dem 25. November, um neun Uhr, wo sie in Anfahrt auf die deutsch-niederländische Grenze zwischen Arcen an der Maas und Walbecke wiederauftauchte. Aus der Fahrtrichtung war zu schließen, daß der Fahrer über Nacht in den Niederlanden gewesen sein mußte, oder gar im belgischen Gent, wo sich jemand meldete – leider ein Alkoholiker, der den auffälligen Wagen um Mitternacht vor der St.-Bavo-Kathedrale hatte stehen sehen wollen. Der Fahrer war auf keiner einzigen Aufnahme zu erkennen, als seien die Scheiben des Wagens getönt gewesen. Auch das Kennzeichen war verwischt, doch die Größe des Schildes verwies auf seine Herkunft aus der Schweiz. Dort aber war das Fahrzeug nicht bekannt.
Philipp von Hohensax hätte keine Seele interessiert, wenn ihn ein breites Fernsehpublikum im Sommer 2005, dank einer wissenschaftlichen Sendung des ZDF, nicht als Mumie kennengelernt hätte, deren Todesursache noch immer aufklärungsbedürftig war. Jetzt fielen die Reporter in Sennwald ein, um dem «schwarzen Ritter» zu einem zweiten medialen Auftritt zu verhelfen – und liefen ins Leere. Die Mumie war verschwunden! Die Leichenhalle sowie der klimatisierte Behälter, in dem sie gelegen hatte, zeigten keinerlei Einwirkung von Gewalt; und die Mesnerin, eine rüstige Sechzigerin, versicherte, sie habe die Mumie am Abend des 22. noch an ihrem Platz gesehen. Philipp von Sax erhielt jetzt in vielen Zeitungen einen Kasten, in dem seine historische Bewandtnis in Kürze erläutert wurde, und die Fernsehanstalten verwiesen auf weitere Informationen im Netz. Interessierte erfuhren, daß für den Freiherrn die Störung seiner Totenruhe nichts Neues war. War er mit der
Silver Cloud
entführt worden und mit Achermann verschwunden – aber wohin?
Die «Geisterfahrt» des Oldtimers beschäftigte Amateurfahnder nachhaltig, und die Route der mutmaßlichen Entführung wurde von vielen Medien rekonstruiert – das Aufsehen um Achermann war ein Vielfaches dessen, was er als Verteidiger – oder Angreifer? – Gottes des Allmächtigen erregt hatte. Auch jetzt ließ sich nicht sagen,ob man ihn als Täter oder Opfer betrachten mußte – jedenfalls: er blieb verschwunden. Mosbach und Geldern erwiesen sich als ideale Pausenfüller; man gewann den Eindruck
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