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Sax

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Titel: Sax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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mehr zu wie im «Poetentod».
So löschet meines Herdes Weihrauchsflamme / Und zündet wieder schlechte Kohlen an.
Es tut mir gut.
    Wo lebst du jetzt?
    Meist im «Fabrikli», bei Tövet. Die Alters-WG der Revolution.
    Ich überschreibe Salomon den «Gugger», dann verreise ich, nach Amerika oder Indien. Draußen habe ich Freunde, aus der Bewegung. Das ist das Beste, was von meiner politischen Arbeit geblieben ist, und das einzige.
    Kommunitaristen, sagte er, nur vier Buchstaben weniger, und es sind Kommunisten.
    An vier Buchstaben hängt viel, sagte sie. – Gott zum Beispiel.
    Das Beste an Gott finde ich, daß wir nie über ihn zu streiten brauchen, sagte er.
    Ein paar andere Vorzüge hat er auch noch, lächelte sie. – Du mußt Numa reden hören. Zur Zeit arbeitet er im Studio.
    Muß heiß hergehn. Das Glasdach taghell, und kein Schnee drauf.
    Weißt du, warum ich nicht bei der Kunst geblieben bin? Ich habe mich verraten, aber nicht genug. Wer als Künstler nicht genügt, merkt es daran, daß er sich nicht genug verrät. Für ganze Sachen ist es bei mir zu spät. Aber gute Leute erkenne ich noch.Ich habe Numa gebeten, später noch ein wenig herüberzukommen. Er möchte mir hier noch ein Fest ausrichten, zum Siebzigsten. Mein Alter ist das einzige, was sie nicht gegen mich verwendet haben.
    Weil man’s dir nicht ansieht.
    Am 24. September 2013. Hältst du dir den Termin frei?
    Mit Terminen diene ich nicht mehr, aber wenn du mich einlädst, komme ich gern. Doch was halbe Sachen betrifft – es gibt gute Gründe dafür. Hubert hatte auch was Halbes, aus Schamgefühl und Respekt vor dem Ganzen. Und aus Abneigung gegen Leute, die aufs Ganze gehen. Ich vermisse ihn sehr.
    Sie verschloß die Lippen, dann sagte sie: Ich habe einen Gast, der möchte gern über Hubert reden. Der OB Hahn von Mosbach. Er hat sich eine Städtepartnerschaft ausgedacht. Ich habe ihm erklärt: Überseen ist keine Stadt, und ich bin nicht mehr in der Politik. – Aber Sie sind eine Gestalt der Zeitgeschichte! – Sidonie lachte nervös.
    Der letzte Mensch, der Hubert gesehen hat, sagte Moritz.
    Hubert verlangte ein Ehrengrab für die Mumie. Jetzt, wo er verschwunden ist, möchte ihm Hahn diesen Wunsch erfüllen.
    Kein Opportunist, sagte Moritz. – Den möchte ich kennenlernen.
    Aber es gibt keine Mumie mehr, sagte Sidonie. – Erinnerst du dich, wie ich diesen Freiherrn bei euch auf dem Dach gespielt habe?
    Es war etwas Prophetisches daran. Ich würde gern mit dem OB sprechen.
    Sidonie spielte mit ihrem Handy und meldete: in einer Stunde kommt Numa herüber. So lange mußt du bleiben.
    Wenn du mir in der Wartezeit Herrn Hahn vorstellst.
    Du bist hartnäckig, sagte sie, und benützte das Handy zum zweiten Mal. – Er kommt gleich. Aber ehrlich gesagt, Moritz – über Hubert rede ich nicht gern. Er hat immer sparsam gelebt, und ich glaube, das geht so weiter. Wenn er tot ist, dann auch nur ein wenig. Und das ist
mir
zuwenig, Moritz – so oder so.
    Als Moritz unbewegt blieb, fuhr sie fort: Wir haben uns nicht geliebt. Es hätte so kommen können, aber es kam nicht so.
    Wer könnte ihn geliebt haben? fragte Moritz.
    Warum fragst du das?
    Weil er sich nur von einem liebenden Menschen finden läßt, sonst bleibt er weg.
    Dann wäre er immer noch ein Kind.
    Vielleicht traut er sich endlich was, sagte Moritz, und ist wieder ein Kind.
    Stimmen vor der Tür, Klopfen, und auf Sidonies Herein öffnete eine junge chinesische Dame dem Gast die Tür.
    Herr Oberbürgermeister! sagte Sidonie, und noch immer klangen Titulaturen aus ihrem Mund wie reiner Hohn. – Das ist Doktor Asser, ein Studienkollege und Freund meines Mannes. Sie haben die Kanzlei geteilt.
    Moritz reichte Hahn die Hand. Auch als Hausgast erschien der hochgewachsene Mann förmlich in Anzug und Krawatte. Seine Beflissenheit hatte etwas Jungenhaftes, was vielleicht am frisch gewaschenen Haar hing. Seine dicklich geratenen Lippen wirkten eher arglos als sinnlich. Moritz erkundigte sich nach Mosbach. Er erfuhr, daß die Fachwerkstadt eine paritätisch genutzte Kirche und eine duale Hochschule besaß, die sie neuerdings auch im Ortsschild führte. Große Kreisstadt. Hochschulstadt. Odenwaldstadt. Moritz hatte das Gutleutensemble in der Zeitung gesehen. Warum wollte der Freiherr dort begraben sein?
    Eigentlich, erklärte Hahn, habe Herr Doktor Achermann das Grab ja für sich selbst reklamiert. Das Durchsichtige des Auftritts sei ihm erst hinterher aufgegangen. Hohensax stehe für alle Toten. Jeder

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