Sax
stiftet er selbdritt eine Stiftung «zum Eisernen Zeit», und dann stiftet die Kohlbrenner, die Seele des Hauses, einen Brand, der es verzehrt, und sie damit …
Du wirst uns dein Projekt im Zusammenhang erklären, sagte Sidonie.
Mein
Projekt? fragte Gaul in theatralischem Entsetzen. – Sie überschätzen mich – sträflich, muß ich schon sagen. Wehe, der Zusammenhang liegt zutage, dann erübrigt sich jede Erklärung. Oder sie kommt zu spät.
Hahn hing an Gauls Lippen, erschüttert und fasziniert.
Er ist ein Apokalyptiker, sagte Sidonie.
Jemand schreitet zur Versandung des Planeten, sagte Gaul, gezielt, mit Bedacht. Das ist für mich ein Fall auratischer Kunst, auch wenn sich die Erfinder des Begriffs vor dieser Anwendung bekreuzigt hätten – mit gutem Grund. Sie ist
dämonisch
. Kairos im Zustand der Sonnenfinsternis – doch ich will Sie nicht langweilen, Herr Hahn.
Ich weiß, was ein Kairos ist, sagte Hahn, der beste Zeitpunkt, ein Papier zu kaufen oder abzustoßen.
Wohl dem, der sich an einer Börse bildet, sang Gaul. – Einer, der in Rechnung stellt, «was von Menschen nicht gewußt / Oder nicht bedacht, / Durch das Labyrinth der Brust / Wandelt in der Nacht». Sie müssen Ihre Schäfchen im trockenen haben.
Ich bin einigermaßen durch die Krise gekommen, sagte der Oberbürgermeister.
Sehen Sie, sagte Gaul.
Warum nennen Sie sich Numa Gaul? fragte Moritz Asser.
Ich bin geboren, als Charly Gaul den
Tour de France
gewann, am 19. Juli 1958. Am Mont Ventoux fuhr er einen Vorsprung von zwölf Minuten – zwölf Minuten! – auf Géminiani heraus.
Der Engel, der den Regen liebte!
Ein beispielloser Bergfahrer – hat aber auch alle drei Einzelzeitfahren gewonnen. Ein Sieger gegen die Uhr, ist das kein Namenspatron? Numa habe ich mich selbst getauft, als ich sprechen lernte, niemand weiß, warum. Was man weiß: den Namen gab es schon; er hat mich ausgesucht. Ich bin Physiker, Pataphysiker.
Die Feuersbrunst in Münsterburg soll dreimal heißer gewesen sein als eine gewöhnliche, sagte Hahn, und löschen konnte man sie auch nicht, bevor beide Häuser ganz ausgebrannt waren. Wie erklären Sie sich das, physikalisch?
Marybel hat die Wand durchstoßen, sagte Gaul, die Membran zwischen innen und außen. Da stellte sich heraus, daß die beiden Sphären nicht kommensurabel sind. Zwei Seiten derselben Medaille, von wegen! Die Annahme, daß an der Grenze ein meßbarer Austausch stattfindet, ist natürlich nicht falsch – aber richtig ist sieso viel weniger, daß man sie vergleichsweise ganz falsch nennen muß. Tiefe und Größe sind kein Kontinuum. Der Verkehr zwischen innen und außen ist so unübersehbar wie das Verhältnis von Leben und Tod.
Alles deutet darauf, daß Marybel wußte, was sie tat, als sie diesen Brand legte. Man hielt ihn für eine Art Vulkanausbruch, aber er war ein Himmelsbeben, erzeugt durch den Kurzschluß zweier Wirklichkeiten, die nur getrennt zu ertragen sind.
Wenn die Dame wußte, was sie tat, fragte der Oberbürgermeister, warum tat sie es?
Ich fürchte,
das
wußte sie nicht. Und doch arbeitete sie mit Methode. Sie sprengte den Unterbau des Universums an zwei Stellen. Die eine war die Kuppel – die andere Stelle bleibt einstweilen mein geistiges Eigentum. Erinnern Sie sich an Jacques Schinz?
Moritz sah ihn zum ersten Mal verblüfft an.
Ich weiß: hier sitzen seine Nächsten. Dazu gehörte ich nicht. Ich war ein kleiner ETH-Student und sein Schachpartner in der Quartierkneipe. Hinterher artete es ins Persönliche aus. Ich glaube, ich war sein engster Gesprächspartner, aber auch sein einziger. Nicht einmal mit seinem Freund Achermann teilte er seinen Kummer – aus Scham. Er fürchtete sich vor Marybel. Dabei hatte er sie selbst ins Haus gebracht. Er war ihre einzige Liebe.
Das hat von außen ziemlich anders ausgesehen, sagte Sidonie.
Von außen. Sie sagen es. Wir stoßen wieder auf die bewußte Differenz. Von innen betrachtet, war Jacques ihre erste und einzige Liebe. Alles, was sie von ihm verlangte, war ein Lippenbekenntnis – aber bald überforderte ihn auch das. Er konnte
tricky
sein, aber platterdings
lügen –
das konnte er nicht. Er sagte mir, er wisse nicht mehr, wie er sich dieser Frau erwehren könne. Nannte sich den unglücklichsten Menschen unter dem Mond – nicht unter der Sonne. Unter dem Mond. Da wollte es etwas heißen.
Man meint ihn selbst zu hören, sagte Sidonie.
Er war mein Vorbild, wenn ich so sagen darf. Wenn einer wie er so unglücklich sein kann,
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