Sax
Augen gingen zu, aber die Lippen öffneten sich zu einem Ausdruck kindlicher Gier. Sie atmete erst kürzer, dann lauter, während sie seinen Schwengel immer heftiger rührte und ihr Leib ins Vibrieren geriet. Plötzlich zog sich ihr Gesicht wie von übergroßer Anstrengung bekümmert zusammen. Dann zuckte in den Winkeln der nun kindlich geöffneten Lippen ein Lächeln, das sich über das ganze Gesicht ausbreitete. So etwas hatte er noch nie gesehen. Ihre Züge glätteten sich, und sie schluckte mehrmals.
Dann öffnete sie die Augen, ließ sein Glied los, schob sich unter ihn und sagte:
please
. Und schon im nächsten Augenblick schnellte er in ihren Leib und saß wundersam tief darin fest. Aber wollte sieihn da überhaupt? Sie lag ja wie tot. Aber zugleich war sie weich und warm, und er spürte: Alles ist recht. Es war eine Befreiung ohnegleichen. Sie entfesselte ihn wie von selbst. Er arbeitete nicht mehr, er tanzte, und dabei lockerte sich der Verschluß, der sein Innerstes festgeklemmt hatte, und was über die Ränder trat, war zuerst die reine Wut. Nun aber ruhte er nicht mehr, bis sie sich in einem lauten Schrei entlud. Hubert Achermann brach zusammen, ließ fallen, was von ihm noch übrig war, und begrub es am Ende der Welt, das ihm noch nie so nahe gekommen war wie diese Frau.
Hingestreckt wie eine erlegte Beute verlängerte er noch ein wenig das Nachgefühl und wußte schon nicht mehr, wovon. Dabei berührte er Mandys Busen, und sofort nahm sie ihn bei den Haaren. Untersteh dich! sagte ihr Blick. Es war schon fast sicher, daß sie sein Gewicht jetzt als drückend empfand, seinen Aufenthalt in ihrem Leib als Zumutung.
I haven’t even finished your tea
, sagte sie unter der Tür.
Tomorrow you bring me a fresh cup, o.k.? But this time you come to me. At eleven, o.k.?
Und so geschah es, und nun wiederholte es sich jeden Tag. Hubert war der Hausgenosse, an dem sich Mandy schadlos hielt für ihre Berufsarbeit. Davon brauchte er nicht ihr Liebhaber zu werden. Sie behielt ihn in der Hand, so lange, wie es ihr gefiel. Dann ließ sie sich auch von ihm etwas gefallen. Er lernte, aus jeder Begegnung das Beste zu machen, denn jede war anders.
Go!
konnte sie sagen, sie hatte keinen aufmerksamen Liebhaber nötig. Was sie selbst nicht liebte – ihre Brüste gehörten dazu –, behielt sie möglichst für sich. Er war kein Kunde, sonst hätte sie Gummi verlangt und Geld. Er war auch nicht ihr Geliebter, sonst hätte sie sich auf Zärtlichkeiten eingelassen. Was war er?
Früher hatte er sich Sex als Jüngstes Gericht vorgestellt. Dazu gehörte das Gesicht einer Erwachsenen, der Mutter eines Mitschülers. Er hatte sie auf einem Schulausflug beim Pinkeln belauscht. Von da an sah er nur noch das
andere
Geschlecht. Mandy hatte es ihn nie sehen lassen, sowenig, wie sie ihn je geküßt hätte. Aber siegab es ihm zu fühlen, er wurde zuständig, die Besessenheit fand ihren Ort und lernte sich verlieren, ohne alles zu verschlingen. Das Jüngste Gericht konnte bei Mandy abgeschüttelt werden. Was immer Liebe heißen mochte: Sie vergiftete sich nicht mehr an der Scham. Wenn Hubert die Nähe zu Mandy überzog, spürte er es an ihrer Ungeduld.
À demain
war das einzige Versprechen, das sie einander gaben, und auch dieses bedurfte einer Schutzbehauptung. Eines Tages würde es auch keinen Morgentee mehr geben, aber es wurde kein trostloser Tag. Wenn der Körper nichts als das Seine tat, brauchte auch die Seele keine angenommenen Gefühle mehr. Hubert arbeitete konzentriert an der Geschichte des römischen, des angelsächsischen Rechts, denn die Natur war zu ihrem eigenen Recht gekommen. Und obwohl er jeden Tag vor dem Schild mit Mandys vielsilbigem Namen stand, konnte er sich ihn nie merken.
Am 8. März 1964, einem Sonntag, klopfte er umsonst. Sie war ausgezogen, ohne Vorwarnung.
An diesem Tag wanderte er ziellos durch die Stadt. Es dämmerte schon, als er in eine Kirche einkehrte, aus welcher Orgelton klang. Nach der Messe kam er mit dem Banknachbarn ins Gespräch, der ihm angesehen hatte, daß er endlich niemand mehr war. Pascal war Priester und in einer Organisation tätig, die sich um arbeitslose Einwanderer aus Nordafrika kümmerte. Hubert begleitete Pascal nach den Vorlesungen in die Hinterhöfe seines eigenen Viertels, und Mandy begegnete ihm wieder, wenn auch nicht in Person. Er lernte Menschen kennen, die nicht einmal eine Chance hatten, sich selbst zu verkaufen.
Es gab Tage, wo er beides nicht mehr aushielt, das Elend
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