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Sax

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Titel: Sax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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heilige Wut auf die Kleingeisterei des Hauses. Schlagartig wußte er: Hier war nicht mehr sein Platz. Er packte und stahl sich unter Hinterlassung eines Zettels an den Bruder Guardian aus dem Kloster. Er setzte sich in einen Zug, der ihn über die Grenze fuhr, nordwärts. Er hatte in der Lese-Hore den «Führer der Unschlüssigen» des mittelalterlichen Denkers Maimonides kennengelernt, und der französische Text war von einem Professor in Lüttich eingeleitet. Also reiste er dahin und schrieb im Zug einen Brief an seine tote Mutter, in dem er seinen Schritt begründete.
    So lernte er das Heimweh kennen, auch wenn er nicht sagen konnte, wonach, aber keinen Augenblick der Reue. Er hatte seine Kutte mitgehen lassen. Sie war das Kleid für eine Erinnerung, und etwas war immer noch daran, was darauf wartete, daß er es sich zu eigen machte.
    In Lüttich war alles fremd, und sein Schulfranzösisch reichtenicht weit. Er schrieb sich an der Universität ein, doch der Professor, den er suchte, war emeritiert und nach Córdoba umgezogen. Achermann besuchte Vorlesungen in der
Faculté des Lettres
über Mallarmé, Proust, Joseph Conrad. Dann stieß er auf Hugo Grotius, blieb am Völkerrecht hängen und am Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Schon im Priesterseminar hatten ihm scholastische Fallstudien zugesagt, auch die Architektur des kanonischen Rechts. Jetzt lernte er weltliche Gegenstücke dazu kennen. Aber sein reelles Studium, jenseits von Recht und Unrecht, begann mit Mandy.
    Sein möbliertes Zimmer im Viertel Le Carré lag über ihrer Wohnung, und wozu diese diente, war durch den dünnen Fußboden nicht zu überhören. Mandy selbst begegnete er im Treppenhaus oder am Briefkasten. Sie war eine Exotin, eher klein, nicht eben hübsch, aber sie grüßte ihn ganz vertraulich. Er hatte sich als Schweizer und Student vorgestellt, sie arbeitete als Tänzerin, ihr Französisch hatte ebenfalls einen Akzent. Ob er hier denn studieren könne? Das Viertel sei ja eher laut, besonders nachts. – Daran habe er sich gewöhnt.
    Sie mußte wissen, daß er stiller Teilhaber ihrer Berufstätigkeit war. Er hatte noch nie mit einer Frau geschlafen. Die Nachrichten über das Geschlechtsleben, die er jetzt empfing, waren drastisch, aber auch eintönig. Trotzdem erzwangen sie seine Beteiligung. Eines späten Vormittags kam er in den Fall, Mandys Wohnung zu betreten. Sie stand im Morgenmantel in der Tür, als er die Treppe herunterkam, und bat um Hilfe; sie komme mit der Heizung nicht zurecht. Es war Februar und das Mietshaus so überheizt, daß man abends den Radiator abdrehen mußte; jetzt konnte ihn Mandy nicht mehr öffnen. Achermann tauchte unter ein breites Bett, fand den Bakelitknopf geborsten und kehrte mit einer Flachzange zurück. Als sie ihren Dienst getan hatte, lud ihn Mandy zu einer Tasse Tee im Wohnzimmer ein. Es war bescheiden, doch nett möbliert, und das Bett hier schien nur für den eigenen Gebrauch bestimmt. Über ihrem Arbeitsplatz hingen zwei Poster von Goyas Maja, einmalbekleidet, einmal als Akt. In ihrer Privatsphäre aber waren alle Wände mit Familienfotos tapeziert. Mandy, die sich hinter einem Paravent unzimperlich angekleidet hatte, berichtete von Eltern und Geschwistern auf den Fidschiinseln. Die Familie war indisch, darauf legte sie Wert. Sie unterhielten sich auf englisch über die Kultur des Teetrinkens. Hubert empfahl einen Rauchtee, den er kürzlich entdeckt hatte, und lud sie ein, ihn zu versuchen. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag um die gleiche Zeit, diesmal in seinem Zimmer.
    Er hatte unruhig geschlafen und war kaum überrascht, als Mandy, nach Lilie duftend, im Negligé vor seiner Tür stand. In seiner Bude musterte sie jede Einzelheit, öffnete auch das eine oder andere Buch. Vom Tee trank sie nur den kleinsten Schluck, doch statt zu warten, daß er sich abkühlte, schlüpfte sie aus dem Morgenmantel und begann Hubert zu entkleiden. Sie führte ihn an der Hand zu seinem Bett, schlug die Decke zurück, legte sich darauf und zog ihn nach. Er wollte sie ungeschickt umarmen, doch sie hielt ihn zurück, nahm sein nur halb gerüstetes Mannsglied zwischen die Finger und begann es gegen ihren Unterleib zu schütteln. Als es sich fester anzufühlen begann, öffnete sie die Beine und verstärkte den Druck gegen eine undeutlich aufgewühlte Stelle. Staunend blickte er auf ein fremdes Gesicht nieder, in dem sich etwas Ähnliches zeigte, wie er an ihrem Schoß zu registrieren glaubte; ihre

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