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Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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mitbekam, den Eindruck, dass nur ein Teil der Wahrheit entsprach. Ich beobachtete die Grimassen und Gebärden der Männer, die ausdrucksvoller waren als ihre Worte. Der alte Wrach und der mit der Sense schienen mir ehrliche Leute zu sein, doch sagten sie wohl nicht alles, was sie wussten. Immer war es der Schieler, der sich nach vorn drängte. So kam im Ganzen das heraus, was zu berichten er für gut hielt, allerdings musste man sich schon arg täuschen, wenn man in ihm nicht das Lügenmaul erkannte. Es war jedoch kaum möglich, in diesem Augenblick mehr zu erfahren. Odo wurde bald ungeduldig.
    „Lass uns weiterreiten“, sagte er. „Der edle Sachse dort streckt uns die Zunge heraus. Wollen sehen, ob es hier nicht auch höfliche Leute gibt. Außerdem ist es Zeit zu frühstücken.“
    Wir wiesen die Bauern an, den Leichnam auf das Pferd zu legen und uns zum gräflichen Gut zu folgen. Der Schieler erbot sich, uns auf einem abgekürzten Weg ans Ziel zu bringen. Er führte uns seitlich der Straße durch eine Bodensenke, die in einen Hohlweg mündete. Dieser endete plötzlich und gab den Blick auf eine seltsame Anlage frei.

4. Kapitel
    Der gräfliche Sitz war ein Salhof von beachtlichem Ausmaß, umgeben von einem über mannshohen Palisadenzaun. Das Tor stand weit offen. Gleich gegenüber, kaum fünfzig Schritte entfernt, sah man das breit hingestreckte, wegen der vorherrschenden Westwinde in Ost-West-Richtung erbaute Herrenhaus, dessen Giebel dem Eintretenden zugekehrt war. An seiner Seite trug eine Reihe von kunstvoll geschnitzten, bemalten Pfeilern das Dach einer ebenerdigen laubenartigen Vorhalle, was an die Pergolen und Arkaden gallischer Villen erinnerte, die man hier offenbar nachahmte. Dieser hübsche Vorbau passte jedoch zu dem plumpen Haus wie eine bunte Hahnenfeder zu einer Saatkrähe, sodass der Eindruck etwas befremdlich war. Die ringsum planlos verstreuten, strohgedeckten Hütten, Ställe und Scheunen, deren Dächer in lange Stützbalken ausliefen, waren schon eher das, was man in dieser Gegend erwarten durfte. An einem Brunnen waren Mägde geschäftig. Ziegen, Hunde, Hühner und Gänse liefen umher.
    Unmittelbar hinter dem Herrenhaus erhob sich eine Bodenwelle mit einem Hain aus alten Bäumen, deren mächtigster, eine Eiche, über dem langgestreckten Dach emporragte. Das Auge dessen, der sich dem Tor näherte, wurde so getäuscht, dass er glauben musste, der Baum wüchse aus dem Dach heraus. Tatsächlich stand er aber etwa dreißig Fuß hinter dem Hause. Was dem Betrachter außerdem gleich auffiel, war eine eigenartige Erscheinung, die sich wohl aus dem ehrwürdigen Alter dieses Methusalems im Reich der Pflanzen ergab. Aus tiefen Rissen, Astlöchern und Wülsten, mit denen der Stamm gezeichnet war, hatte sich im Laufe der Zeit, vielleicht von mehreren hundert Jahren, so etwas wie ein Gesicht gebildet, eine grimmige, schiefe, gefurchte Fratze. Die Augen blickten boshaft und streng, der breite Mund war in den Winkeln höhnisch verzogen. Wer auf das Tor zuhielt, erschrak, denn er fühlte sich angestarrt von diesem Naturmonument, dessen Ausdruck, wie sich noch zeigen sollte, mit der Tageszeit wechselte. Auch meinen Gefährten fiel es gleich auf. Odo murmelte etwas von einem Riesen, der wohl den Kampf mit den alten Göttern überlebt hatte, indem er die Gestalt eines Baumes annahm.
    Wir hielten am Tor und gleich gab es in der Vorhalle des Herrenhauses Bewegung. Mehrere Männer zeigten sich und einer, nackt bis zum Gürtel, in dem ein Sax, das hier gebräuchliche Kurzschwert, steckte, kam heraus und rannte uns entgegen. Am Tor blieb er stumm vor uns stehen und glotzte von einem zum anderen. Ich sprach ihn an, doch kaum hatte ich drei Worte gesagt, ratterte er eine lange Phrase herunter. Darauf gab er ein Handzeichen, dass wir warten sollten, machte kehrt und rannte zurück.
    Er schrie denen in der Vorhalle schon im Laufen etwas zu, und nun traten sie alle hinter den geschnitzten Pfeilern hervor und bewegten sich auf das Tor zu. Es war auf den ersten Blick ein wenig Vertrauen erweckender Haufen von zehn, zwölf Tölpeln und Saufbrüdern, struppigen Kerlen mit groben Gesichtern, die allerdings kostbare Kleider und teure Waffen trugen. Obwohl sichtlich um würdige Haltung bemüht, stolperten sie und rempelten einander an und einige schwankten wie lahme Esel.
    Nur einer bildete eine Ausnahme. Es war der Mann, der an der Spitze ging, hoch aufgerichtet und festen Schrittes. Er war etwas größer als die anderen,

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