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Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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reglos der starke Erk, einem ragenden Fels gleich, den Kopf wie zur Abwehr zwischen die Schultern gesenkt, breitbeinig, barfuß, im zerrissenen, blutbefleckten Kittel. Mit beiden Händen drückte er einen Kasten an die Brust, das Reliquiar. Unverwandt starrte er uns entgegen.
    Wir blieben drei Schritte vor ihm stehen. Nur Odo, der Graf und ich waren eingetreten. Wig hielt sich an der Tür. Auch die Liudolfs und Liutgers drängten sich dort und steckten nur vorsichtig die Köpfe herein.
    „Erk, was tust du da?“, sagte der Graf mit seiner tiefen, ruhigen Stimme. „Was machst du mit unserem Heiligen? Stelle den Schrein auf den Altar zurück!“
    Der Riese schüttelte heftig den Kopf.
    „Stell ihn zurück! Ich befehle es dir.“
    „Treibt ihn hinaus!“, schrie wieder der Priester. „Reinigt den Tempel des Herrn vom Ungeziefer!“
    Volz wandte sich zu ihm um.
    „Er ist dein leiblicher Bruder, Wig. Hab Mitleid mit ihm.“
    „Sein Bruder?“, rief ich verblüfft.
    „Verflucht soll er sein!“, kreischte Wig. „Verflucht die Stunde, da ihn mein Vater gezeugt, und die, da ihn seine Mutter geboren hat! Heidenbrut! Missgeburt! Scheusal! Mörder!“
    Plötzlich verstummte er. Alle hielten den Atem an.
    Erk hatte den Schrein mit beiden Händen gepackt und hoch über seinen Kopf geschwungen. Man hörte es in der Kiste rumpeln. Es schien, dass Erk die heiligen Reste auf uns, die Eingetretenen, herab schleudern wollte.
    Doch er öffnete nur den Mund und stieß mit ungelenker Zunge drei Worte hervor: „Er – weiß – alles!“
    Dann ließ er die Arme sinken, Wir atmeten aus.
    Er trat zwei Schritte zur Seite und senkte den Schrein behutsam in eine Kammer, die in den Boden eingelassen war. Die steinerne Deckplatte lehnte an der Wand. Mühelos hob er sie an und passte sie in die Öffnung der Kammer ein, das Reliquiar damit einschließend. Dann kniete er vor der Platte nieder und verharrte reglos in dieser demütigen Haltung. Von seinem gesenkten Kopf hingen die blonden Strähnen herab wie ein Vorhang aus Stroh.
    In einer Ecke des Kirchenraums traten wir Königsboten, der Graf und der Priester zur Beratung zusammen.
    „Im Kapitular unseres Herrn Königs heißt es“, sagte Volz, „,wenn jemand in eine Kirche flüchtet …‘“
    „,Wenn jemand in eine Kirche gewaltsam eindringt‘“, fuhr der Priester dazwischen, „,sei er des Todes!‘“
    „Ja, aber nur, wenn er stiehlt oder Feuer legt“, belehrte der Graf ihn in freundlichem Ton. Er wandte sich an Lupus: „Oder irre ich mich?“
    „Keineswegs. So steht es im dritten Artikel.“
    „Wenden wir also den zweiten an, der mir für diesen Fall zutreffender erscheint. Der Zweck war ja keine Gewalttat, sondern die Flucht zu Gott.“
    „Ich bin Eurer Meinung“, sagte ich.
    „Wenn also jemand in eine Kirche flüchtet“, wiederholte der Graf und zitierte, an Wig gewandt, ziemlich fließend, „,soll niemand wagen, ihn von dort zu vertreiben, sondern er soll dort Schutz finden, bis er dem Gericht vorgeführt wird. Zur Ehre Gottes und der Heiligen der Kirche sei ihm Gnade erwiesen für sein Leben und alle seine Glieder.‘“
    Ich tauschte einen Blick mit Odo, der anerkennend nickte. Wig schwieg mit finsterer Miene und fügte sich. Wir verließen die Kirche und der Graf befahl zwei bewaffnete Knechte an die Tür.
    „Meine Herren Königsboten“, sagte er, „der Willkommenstrunk wartet.“
    Ich glaube, lieber Volbertus, wenn der Herr Erzbischof zur Inspektion Eures Klosters käme und würde gleich unter dem Tor einen Leichnam finden, wäre dies für Euern Abt und für dich als Prior ein Grund zu großer Verlegenheit. In einer ähnlichen Lage befand sich Graf Volz. Dass einer seiner Vasallen in omnis oculis umgebracht wurde, musste er als Missgeschick empfinden. Ein solcher Vorfall bei der Ankunft von Kommissaren, die seine Amtsführung und die Rechtsverhältnisse im Gau überprüfen sollten, war wie ein Becher Galle, als Willkommenstrunk gereicht.
    Vielleicht war es deshalb der edelste Burgunder, der uns eingeschenkt wurde. Seit unserer Abreise aus der Pfalz hatten wir etwas so Köstliches nicht mehr genossen. Odo schnalzte genießerisch mit der Zunge und ließ sich gleich nachschenken. Auch sonst gab Volz sich alle Mühe, die Störung bei unserm Empfang vergessen zu machen. Er begann, heiter zu plaudern und mit Odo Erinnerungen an jenen Zug nach der Elbe aufzufrischen, an dem sie gemeinsam teilgenommen hatten. Mehrmals brachen sie in Gelächter aus. Dann brachte Volz

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