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Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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ausgebrachte Trinkspruch zeigte, wie sehr sie sich vergaßen. Den meisten war bald nicht mehr gegenwärtig, dass fränkische Gäste in ihrer Mitte weilten. Die Liudolfs und Liutgers, das muss zu ihrer Ehre gesagt werden, benahmen sich noch verhältnismäßig gesittet, wenngleich auch sie bald betrunken waren. Die übrigen „Vornehmen“ des Gaus verloren nach und nach alle Hemmungen. Einer schlug einen Knecht, der ihn beim Einschenken begossen hatte, mit der Faust ins Gesicht, sodass Blut spritzte. Ein anderer fuchtelte mit seinem Dolch herum und musste entwaffnet und hinausgeschleppt werden. Hie und da kreischte eine Magd auf, während sie abgeschmatzt wurde. Zwei Kerle mit feuerroten Nasen fingen ein Wetttrinken an, in dessen Verlauf sie beide umsanken und sich erbrachen. Schließlich erhob sich leise und dumpf, dann immer mehr anschwellend ein allgemeiner Gesang, mehr ein Gegröle.
    „Ne si iu forcht hugi, genotas …“ („Nicht sei furchtsam euer Sinn, Genossen …“)
    Das war ein alter heidnischer Kriegshymnus und einige griffen begeistert nach ihren Lanzen und schlugen sie gegeneinander. Noch vor wenigen Jahren waren sie mit diesem Gesang auf den Lippen im Namen Wodans und Saxnots gegen die fränkischen Heere gezogen. Aber wir wollten natürlich nicht kleinlich sein und schwiegen dazu. Die gräulichen Töne waren ja unschädlich, wenn man von den geplagten Ohren absah.
    Odo und ich saßen an der Seite des Grafen an einem Tisch für die Ehrengäste, zu denen auch Gozbert und seine Schwester gehörten, die noch junge Witwe eines vornehmen Sachsen. Ich gestehe, dass ich Herrn Gozbert weniger abstoßend fand, als ich nach dem, was ich von Odo über ihn erfahren hatte, erwarten musste. Gewiss, er war eitel und stolz und hatte das herablassende Benehmen des großen Grundherrn. Seine Haare waren künstlich gelockt, an seinem Stirnreif glitzerten Edelsteine und seine Hände waren mit protzigen Ringen bestückt. Doch hatte er eine fröhliche Gemütsart und war ständig zu Scherzen aufgelegt, die man belachen musste, ob man wollte oder nicht. Mit nicht versiegender Beredsamkeit erzählte er Geschichten, die er selbst in Sachsen erlebt hatte und in denen fast immer ein sächsischer Tölpel das Nachsehen hatte. Einige dieser Helden waren anwesend und Gozbert machte sich ein Vergnügen daraus, sie uns einzeln vorzustellen.
    „Der da ist dümmer als ein Ochse, deshalb habe ich ihn zum Zentgrafen ernannt. Und seht ihr den? Er besaß mal zwölf Hufe Land. Doch er hat nur zehn Finger an den Händen und weiter kann er nun mal nicht zählen. Da war er froh, dass ich ihm zwei Hufe abnahm!“
    Jedes Mal, wenn er einen solchen Pfeil abgeschossen hatte, lachte Gozbert laut auf und seine Heiterkeit wirkte ansteckend. Was sich vor unseren Augen und Ohren ereignete, gab ihm ja Recht. Ich wischte von Zeit zu Zeit eine Träne fort, nicht nur wegen des beißenden Qualms. Sogar der Graf lachte mit, wenn auch nicht lauthals, sondern in seiner bedächtigen Art. Er verteidigte seine Sachsen nicht. Wozu auch? Was sich in der Halle ereignete, widerlegte ihn ja, bevor er den Mund öffnen konnte.
    Auch Odo amüsierte sich köstlich. Seine gedrückte Stimmung nach unserem Gespräch mit dem Grafen war verflogen. Erstaunlicherweise war es die Wiederbegegnung mit Gozbert, die diese Veränderung herbeigeführt hatte. Anfangs war Odo nur höflich und kühl gewesen und er hatte die überschwängliche Begrüßung durch den alten Bekannten steif über sich ergehen lassen. Doch war sein Benehmen gegenüber dem „Mistkäfer“ gleich eine Spur freundlicher, als ich erwartet hatte. Gozbert ließ mit seiner ungezwungenen Fröhlichkeit den früheren Groll auch gar nicht recht hochkommen. Er tat so, als hätte man erst tags zuvor voneinander Abschied genommen, plauderte munter drauflos, riss Witze über den König und die würdigen Herren des Hofes, und es dauerte nicht lange, bis Odo einstimmte und die Unterhaltung mit eigenen Zutaten bereicherte. Denn auch er sitzt ja, wie es im ersten Psalm heißt, „dort, wo die Spötter sitzen“.
    Wie immer bei ihm, tat die Anwesenheit einer Dame ihr Übriges. Die junge Frau Frodegard war nicht weniger eitel und hochfahrend als ihr Bruder, doch hatte sie nicht seine Frohnatur. Sie erinnerte mich an die Königin Fastrade, von der man wusste, dass sie fast ständig unter Zahnschmerzen litt. Auch Frau Frodegard hatte ihr an sich reizvolles, nicht viel über zwanzigjähriges Gesicht zu einer Maske eingefroren – mit

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