Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman
zweifelhafter Vergangenheit.“
„Ein früherer Pferdeknecht“, bestätigte Odo.
„Jetzt ist er frei durch die Güte Gozberts. Aber er kann es nicht lassen, alle möglichen dunklen Geschäfte zu betreiben. Er hält uns Sachsen für dumme Barbaren und hat schon manchen von uns hereingelegt.“
„Er maßt sich sogar das Richteramt an.“
„Habt Ihr ihn etwa dabei ertappt?“
Die Miene des Grafen drückte Betroffenheit aus. Odo erschrak plötzlich und verstummte. Aber es war schon zu spät, wir mussten bekennen.
„Nun, wir haben ihn tatsächlich ertappt“, sagte ich nicht ohne Überwindung. „Er verurteilte die Gaukler, die die Goldmünzen gestohlen hatten. Zum Tode.“
„Was sagt Ihr da?“, entgegnete Volz. „Dazu war er nie und nimmer befugt!“
„Aber sein Urteil war gerecht, wie wir nach Eurer Erzählung zugeben müssen. Wir hoben es auf und entließen die Diebe mit ihrer Beute.“
Zu dieser Erklärung zog ich ein angemessen betrübtes Gesicht. Odo schnaufte und starrte auf seine Stiefelspitzen. Nach dem doppelten Lob, das er empfange hatte, war es ihm doppelt peinlich, allem Anschein nach als Richter versagt zu haben. Volz lächelte nachsichtig, was die Sache nicht besser machte.
„Sie haben Euch sicher genauso getäuscht, wie sie uns täuschten. Eine besonders gerissene Bande. Und welcher Richter, auch der klügste, könnte nicht irren!“
„Wir werden den Heiligen um Vergebung bitten“, sagte ich.
„Er wird großmütig sein.“
„Es ist der heilige Theofried?“
„Sie haben Euch seinen Namen genannt?“
„Dieser Name ist mir schon lange geläufig. Er gehörte einem jungen irischen Mönch, der vor elf Jahren aufbrach, um hier in Sachsen das Wort Gottes zu verkünden. Woher habt Ihr den heiligen Leib?“
„Aus Rom.“
„Aus Rom?“, rief ich verblüfft.
„So ist es, Vater“, sagte der Graf. Auf seinem glatten, runden Gesicht erschien eine sanfte Röte wie der Abglanz einer frohen Erinnerung. „Und ich hatte sogar das Glück, von Papst Hadrian persönlich empfangen zu werden. Er selbst empfahl mir diesen Heiligen für unsere Kirche und segnete, was von ihm übrig war.“
„Ihr habt ihn von einer Wallfahrt mitgebracht?“
„Ja. Ich unternahm sie in Erfüllung eines Gelübdes. Um die Irrtümer und Verfehlungen zu büßen, die ich in meiner Jugend beging, bevor ich die Lehre Christi kennenlernte. Ich tat das Gelübde bei meiner Taufe, in Paderborn, unter den Augen unseres Herrn Königs. Allerdings kam ich nicht gleich dazu, es zu erfüllen. Ich trat mein Amt an und es gab eine Menge zu tun. Doch eines Tages hielt mich nichts mehr zurück, ich machte mich auf. Was für eine erbauliche Reise! Was für ein herrliches Abenteuer! Ich muss Euch das alles einmal ausführlich erzählen, sobald wir … Aber ich glaube, da kommen die ersten Gäste!“
Eine stattliche Reiterschar trabte zum Tor herein und hielt erst unmittelbar vor dem Herrenhaus.
„Es ist Gozbert!“, rief Volz. „Begrüßen wir ihn!“
5. Kapitel
„Convictibus et hospitiis non alia gens effusius indulget.”
Diese Worte schrieb der berühmte römische Schriftsteller Tacitus über die Germanen seiner Zeit, und sie wären ihm vielleicht auch eingefallen, hätte er sieben Jahrhunderte später gelebt und ein Gelage ihrer sächsischen Nachkommen besucht. Ich hatte natürlich nicht oft Gelegenheit, es mir an reich gedeckten Tischen wohl sein zu lassen, und so fehlt mir die Möglichkeit zu vergleichen. Doch schien mir das, was ich an „Geselligkeit und Gastfreundschaft“ unter dem Dach des Grafen Volz erlebte, so maßlos zu sein, dass dabei wohl „kein anderes Volk“ hätte mithalten können.
Mehr als hundert Gäste saßen an langen Tischen und schmausten und zechten. In der Mitte drehte man Bratspieße, auf dem Herd glühten Pfannen. Bier schäumte in halb mannshohen, schwarzen, mit Buckeln verzierten Krügen. Von den Lippen troff Schweinefett, die Augen tränten vom Rauch, in die Mäuler und nebenbei in die struppigen Bärte ergossen sich Ströme des bitteren Gerstensafts, unter dem Druck schwerer Fäuste knackten Knochen, schwärzliche Zähne rissen das Fleisch ab. Dabei wurde gebrüllt, gegrunzt und gerülpst, jeden Augenblick brach irgendwo in der Halle wildes Gelächter aus. Ermunterungen zum Trinken wurden gerufen.
„Suff, Wido!“
„Stant fasto, Ritsert!” („Stehe fest!“)
„Tole sint Franci, spahe sint Saxi!“ („Dumm sind die Franken, schlau die Sachsen!“)
Dieser am häufigsten
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