Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman
Christus, hab doch Vertrauen und steige herab!“
Ein Gelächter, das brüchig und hohl klang, ließ mich erschauern. Ich fuhr herum. Hinter den Büschen, in denen ich steckte, lichtete sich der Wald ein wenig und gab den Blick frei auf ein seltsames Monument. Es war eines von jenen uralten Steingräbern, die von mythischen Riesen errichtet sein mussten. Gewaltige Blöcke waren übereinander getürmt. Nur einer lag etwas abseits, war vielleicht bei einem Erdrutsch zur Seite gerollt.
Auf diesem hockte ein alter Mann. Er hätte jeden Kirchenmaler entzückt, der auf der Suche nach einem Modell für ein Abbild des Teufels war. Ein dunkel gerötetes Gaunergesicht mit Tränensäcken, Hakennase und spitzen Ohren, Haar und Bart grau und zottig abstehend, ein zerschlissenes Wams aus Ziegenfell, den Bogen über der Schulter, den Köcher um den Hals, im Gürtel den Sax, ein Beil und zwei Dolche, in der Faust einen Spieß – wahrhaftig, so konnte man sich Herrn Satan vorstellen, als Jäger verkleidet. Er hinkte sogar. Nachdem er nämlich sein schepperndes Lachen zu Ende gelacht hatte, stand er auf und kam auf mich zu.
Ich gestehe, dass mir das Herz bis zum Halse schlug. Hätte ich wenigstens mein Rasiermesser bei mir gehabt!
Der alte Schrat bog ein paar Zweige auseinander, um mich besser beäugen zu können, und krächzte: „Was schreist du? Was willst du hier mit diesem Hundsfott von Christus?“
Eine solche Beleidigung unseres Herrn hätte eine scharfe Antwort verdient. Doch in Anbetracht meiner Lage antwortete ich kleinmütig: „Verzeih, dass ich dich gestört habe! Ich bin einem Mann gefolgt, der hier im Wald haust und den ich zu kennen glaube. Ich habe mich wohl ein bisschen verirrt.“
Ich machte eine hilflose Bewegung, um mich von den dornigen Zweigen zu befreien, die meine Kutte festhielten. Plötzlich sah ich vor mir einen Dolch blinken.
„Warum willst du mich umbringen?“, rief ich erschrocken. „Was habe ich dir getan?“
Ich riss mir die Hände blutig. Vergebens, das Gesträuch hielt mich fest. Wieder ertönte das teuflische Lachen. Die rote Fratze war jetzt ganz nahe. Die Klinge tanzte vor meinen Augen. War dieser Kerl tatsächlich Satan, Diabolos, Tiuva, Valant, Hellewart? Gab er mir auf diesem alten heidnischen Kultplatz persönlich den Rest?
Nichts davon. Nicht mich streckte der Dolch zu Boden. Die Zweige fielen. Mit wenigen geübten Schnitten war mir der Weg frei gemacht.
„Komm heraus!“, knurrte mein Befreier. „Warum sollte ich einen elenden Kuttenbock abstechen? So zäher Braten bekommt mir nicht, davon kriege ich Bauchschmerzen. Ich jage nur edles Wild!“
Er steckte den Dolch hinter den Gürtel. Ich folgte notgedrungen der Einladung und trat auf die Schneise hinaus. Während er mich von oben bis unten beglotzte, unterzog er mich einem Verhör.
„Bist du ein Franke? Was willst du hier? Was hast du in unseren Wäldern verloren? Der räudige Hund von König hat dich geschickt? Hast du auch seinen Grafen besucht, die dreckige Ratte Volz?“
„Du fährst eine eigenartige Sprache“, erwiderte ich, um Haltung bemüht. „Ich komme tatsächlich vom König, der es nicht schätzt, wenn man ihn und seine Gefolgsleute beleidigt. Aber du bist auf der Pirsch, ich will dich nicht aufhalten. Leb wohl! Ich werde versuchen, den Rückweg zu finden.“
Aufs Geratewohl schlug ich eine Richtung ein. Die Nähe dieses gehässigen alten Nimrods war mir unheimlich.
„Langsam, langsam! Wo willst du da hin? Wenn du weiter marschierst, gerätst du ins Moor! Wäre zwar nicht schade um dich, aber ich will dich gewarnt haben!“
„Ich danke dir“, sagte ich. „Auch wenn ich dir nicht gefalle, hast du vielleicht die Güte, mir den Weg zum Salhof zu weisen.“
„Wusste ich es doch! Zum Salhof will er. Mein elender Neffe füttert Schwarzröcke durch. So wird mein Hab und Gut vergeudet. Alles, was ich von meinen Vätern geerbt habe!“
Er stieß ein paar derbe Flüche aus, die ich nicht wiedergeben kann, und ließ sich abermals auf dem Stein nieder. Seine letzten Worte hatten meine besondere Aufmerksamkeit geweckt. Ich lehnte mich an einen der Grabblöcke.
„Du bist also Umm, der frühere Gauvorsteher.“
„Du kennst meinen Namen?“
Er blinzelte zu mir herauf. Seine Säuferaugen über den dicken Tränensäcken waren fast zugeschwollen. Eine Spur freundlicher fuhr er fort: „Wundert mich, dass sie zu Fremden noch von mir reden. Aber Volz, der Schurke, war es bestimmt nicht. Der hätte am liebsten,
Weitere Kostenlose Bücher