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Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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verstecken. Dennoch war sie vom Salhof aus zu erkennen, bildete sie doch ohne Zweifel den Mund des dämonischen Gesichts. Dessen andere auffällige Teile waren, wie ein Blick nach oben mich überzeugte, natürliche Höhlungen, Wülste und Risse.
    Zu meinen Füßen bemerkte ich nun auch Holzflocken. Ich bückte mich und hob einige auf. Sie waren frisch und mussten in dieser Nacht aus dem Stamm heraus gehauen worden sein. Es waren nur wenige, der Axtschläger hatte nicht viel geschafft. Wahrscheinlich war er geflohen, als er das Geräusch von meinem Fall in die Grube gehört hatte.
    Die Entdeckung erschien mir so bedeutungsvoll, dass mich der Eifer packte. Irgendjemand versuchte, diese Eiche zu fällen. Doch warum heimlich? Und warum nicht, wie die Männer vor ihm, von der anderen Seite, damit der Baum auf die Waldwiese fiel? Ich zog ein Bündel Gräser aus dem Einschnitt heraus, dann ein Stück Moos, zerbrochene Zweige, Späne, Blätter. Als ich tiefer grub, stieß ich auf eine Schicht, die schon fast verrottet war. In einer Handvoll vermoderter Blätter war etwas Hartes, wohl ein Stück Eisen, von einer Axt abgebrochen. Wie viele Äxte verschleißt ein solcher Baum!
    Ich wollte meinen Fund untersuchen – im selben Augenblick aber spürte ich einen scharfen Schmerz an der Stirn. Ein Stein hatte mich von oben getroffen. Erschrocken trat ich zwei, drei Schritte zurück und wäre beinahe die Böschung hinab gestürzt. Ich stolperte über eine Wurzel und fiel, konnte mich aber gerade noch halten. Als ich jetzt auf dem Rücken lag und nach oben blickte, sah ich dort zwischen Zweigen und Blättern für einen winzigen Augenblick eine fast nackte Gestalt auftauchen. Ein bärtiges, spitzes Gesicht starrte auf mich herab und verschwand wieder.
    „Nasio!“, rief ich. „Athanasius!“
    Keine Antwort. Ein Rascheln war alles. Ein trockener Zweig knackte und fiel herab. Ich sprang auf die Beine.
    „Athanasius!“
    Wieder Rascheln, diesmal aus größerer Höhe. Vergebens bemühte ich mich, mit meinem Blick das dichte Geäst zu durchdringen. Ich lief zurück auf die Wiese. Von hier aus bemerkte ich, wie sich hoch oben in der Baumkrone ein paar Zweige bewegten.
    „Athanasius!“, rief ich. „Hör mich an! Ich bin Lupus aus Fulda! Erinnerst du dich an mich?“
    Kein Laut unterbrach die Stille. Eine Weile geschah nichts. Ich rannte unter dem Baum auf und ab und rief immer wieder den Namen. Dann blieb ich stehen und lauschte.
    Auf einmal hörte ich wieder ein Rascheln, doch kam es diesmal von einem anderen Baum. Ich lief hin und erwischte gerade noch den Anblick von Füßen, die flink und sicher auf einem Ast entlang liefen. Gleich darauf schwankte der Ast, von seiner Bürde befreit, und auf dem nächsten Baum schlugen Zweige gegeneinander, zitterte das Laub, flog ein erschrockener Vogel auf.
    So ging es weiter. Ich lief unter den Bäumen entlang, während der Baummensch oben vor mir her floh. Von Zeit zu Zeit sah ich zwischen Blättern und Zweigen den dichten Haarschopf, einen Arm, eine Schulter, ein Knie auftauchen, einmal auch die ganze spindeldürre Gestalt. Da ich mir ständig den Hals verrenken musste, um den scheuen Kletterer nicht aus den Augen zu verlieren, vernachlässigte ich zwangsläufig die Aufmerksamkeit für den Weg. Ich stolperte über einen Ameisenhügel, trat in ein morastiges Loch, fiel hin, raffte mich wieder auf. Meine Kutte verfing sich im Gesträuch, eine Sandale löste sich und blieb stecken.
    Längst hatte ich den Dingplatz verlassen und war in den Wald eingedrungen. Das Unterholz wurde dichter, die Bäume standen so nahe beieinander, dass Dämmerung herrschte. Allerlei aufgescheuchtes Getier huschte umher. Immer wieder rief ich keuchend den Namen des Mönchs, dann wieder den meinigen, auch den des Theofried. Doch meine Hoffnung, der Flüchtige würde mich wiedererkennen, Vertrauen fassen und herab kommen, erfüllt sich nicht.
    Als ich wieder einmal fest im Gestrüpp steckte, blieb ich stehen. Es war still, in den Baumkronen über mir regte sich nichts. Entweder war er mir entkommen oder er lauerte in einem luftigen Versteck, vielleicht ebenfalls der Verfolgungsjagd müde. Was blieb mir übrig als aufzugeben? Ich entschloss mich, einen letzten Versuch zu machen.
    „Athanasius!“, rief ich. „Ich weiß, du bist es! Du bist einer von denen, die mit Theofried auszogen! Ich bin hier, um nach euch zu suchen! Der König hat mich geschickt, auch euer Abt ist besorgt um euch! Im Namen unseres Herrn Jesus

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