Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman
gelungen, nach einem Tag und einer Nacht das traurige Bild eines Trupps von Saufbolden, Schlägern, Geistesgeschädigten, Spielern und Fahnenflüchtigen abzugeben.“
„Du vergisst hinzuzufügen: von Frauenjägern und Geschenkeempfängern“, sagte ich boshaft.
„Das Erste mit Einschränkung zugestanden. Aber das Zweite?“
„Hast du dir nicht ein Schwert schenken lassen?“
„Das konnte ich guten Gewissens tun. Es war der Ausgleich für früher erlittenes Unrecht.“
„Mag sein! Aber glaubst du wirklich, dass dahinter auch nur ein Funke aufrechter Reue steckt? Sondern nicht vielmehr die Absicht, dich durch Bestechung zu erniedrigen? Deinen Stolz und deine Urteilskraft zu untergraben?“
„Du machst mich betroffen, Vater …“
„Odo!“, sagte ich eindringlich. „Hier gehen Dinge vor, für die ich nur eine Erklärung habe. Man will uns zermürben, verwundbar und lächerlich machen und schließlich zur Aufgabe und zur Abreise nötigen! Ich hatte schon gestern Abend den Eindruck, dass Volz und Gozbert nach einem gemeinsamen Plan vorgingen. Gozbert übernahm dich, er kannte dich ja. Er wusste von deiner Vorliebe für Frauen, Waffen, die Jagd. Und es war ihm auch bekannt, wie hoch du Freundschaft und Edelmut schätzt. Also spielte er dir den gereiften Mann vor, der eine aus jugendlichem Leichtsinn begangene Ungerechtigkeit wiedergutmachen wollte. Er war fest überzeugt, dass du darauf hereinfallen würdest, und er täuschte sich nicht. Nun weiß er, dass du Geschenke nimmst! Seine Schwester lässt ihre Reize spielen, Jagden und Festgelage werden veranstaltet …“
„Hör auf, ich hab ja verstanden!“, rief Odo. „Zum Glück hat die dumme Edelgans alles verdorben!“
„Dafür ging das andere nach Wunsch. Unsere Männer ließen sich fortlocken, Rouhfaz wurde zum Würfeln verleitet. In beiden Fällen scheint Volz dahinter zu stecken. Was mich betrifft, so habe ich allerdings selbst einen Anlass gegeben, um böswillige Gerüchte auszustreuen. Aber wenn du erfährst, wie alles gekommen ist, wirst du nachsichtig sein.“
„Ich bin es schon, Bruder Lupus. Vielleicht sollten wir uns gegenseitig den Buckel verbläuen. Aber das würde Zeit kosten, die wir angesichts der veränderten Lage besser nutzen sollten. Du glaubst also, dass sie uns schnell wieder loswerden wollen.“
„Das wollten sie gleich, vom ersten Augenblick an! Bozos Warnung, die sie natürlich erhalten haben, hat sie aufgescheucht. Hier gibt es so viele trübe Wasser, dass man nicht erst dort hinten ins Moor stolpern muss. Sie können auch nicht alle umbringen, die etwas wissen und es uns mitteilen wollen. Bis jetzt ist es täglich einer. Gestern Hatto, heute Umm …“
„Umm? Du entflammst meine Neugier. Hast du den alten Schurken zum Schluss noch bekehrt? Hat er gebeichtet?“
„Ja, aber ohne Sakrament. Und was noch schlimmer ist – ohne Reue.“
„Es ist also kein Geheimnis. Leg los!“
„Fest steht, dass Theofried hier getötet wurde.“
„Du meinst den Theofried, den wir suchen?“
„Einen anderen gibt es nicht. Mit größter Wahrscheinlichkeit war es ein Ritualmord. Er wurde dem Saxnot geopfert. Und weißt du, wer damals Oberpriester war?“
„Ich erschaudere schon!“
„Mit Recht. Es war Volz!“
„Teufel noch mal! Und du meinst, er selber …“
„Wer sonst? Das war üblich bei solchen heidnischen Zeremonien. Der Priester tötete das Opfer, indem er ihm mit einem geweihten Dolch die Kehle durchschnitt. Den Rest besorgten im Allgemeinen seine Gehilfen.“
„Das heißt, sie gaben dem Gott seinen Anteil, worauf sie vom Übrigen schmackhafte Portionen für das Kultmahl bereiteten.“
„Der göttliche Anteil bestand gewöhnlich aus dem Kopf und den Gliedmaßen, die man in einem Sumpfloch versenkte. Dies sind die Teile des Opfers, die noch vorhanden sein müssen.“
„Und wo?“
„In der Kirche. Im Reliquiar.“
„Und der römische Heilige?“
„So einen hat es hier nie gegeben. Volz war nie in Rom, auch das konnte ich inzwischen herausbekommen. Er gab den Leichnam, der schon in der Kirche begraben war, als römische Reliquie aus. Wobei er sich nicht mal die Mühe machte, ihn umzubenennen.“
„Der Kerl ist verwegen, das muss man ihm lassen. Immerhin müssen noch viele Bescheid wissen.“
„Sie sind mitschuldig – und haben Angst vor ihm. Zwei Gründe zu schweigen! Wer redet, schweigt bald für immer. Das musste sogar der alte Häuptling erfahren. Er war noch nicht fertig mit seiner Geschichte, als
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