Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman
habe den Schützen nicht ausmachen können. Hier scheint es ja Brauch zu sein, zum Vergnügen mit Pfeil und Bogen auf Menschen zu schießen.“
Helko senkte den Blick.
„Lass ihn in Ruhe“, sagte Odo, „er hat mir das schon gestanden. Der Junge ist nicht der Schlechteste. Er war der Einzige, der dich bemerkt haben wollte und der bereit war, mich zu führen. Ohne ihn hätte ich dich kaum gefunden.“
„Und warum hast du mich gesucht?“, fragte ich spitz. „Wolltest du nicht auf die Jagd gehen?“
„Ja, das hatte ich vor. Aber ich hab es mir überlegt.“
„Vermutlich kaum, weil du dich erinnert hast, dass wir gemeinsam etwas anderes vorhatten.“ Und damit Helko mich nicht verstand, fügte ich auf Romanisch hinzu: „Hast du vielleicht bei der Dame kein Glück gehabt?“
„Kein Wort mehr von ihr!“, sagte Odo grimmig.
„Was ist geschehen?“
„Ach, nichts von Bedeutung. Sie hat sich nur über mich lustig gemacht.“
„Über dich?“
„Ja, über mich, den Nachkommen König Chlodwigs. Nie wieder eine Edeldame! Da treibt man allen möglichen Aufwand, um sie standesgemäß zu umwerben …“
„Was meinst du mit Aufwand?“
„Mein verdammtes Gefolge!“
„Fulk und unsere Männer?“
„Wen sonst?“
„Du hast sie doch nicht etwa mitgenommen, um …“
„Mein Teurer, das kannst du nicht verstehen, weil du der Welt und den Frauen entsagt hast. Wer sich Ansehen verschaffen will, braucht ein Gefolge.“
„Und was ist an unseren Leuten so lächerlich?“
„Nichts. Vorausgesetzt, sie sind anwesend.“
„Was heißt das?“
„Das heißt, sie sind fort.“
„Sie sind fort? Alle vier?“
„Als ich heute an ihrer Spitze zur Jagd reiten wollte, waren sie verschwunden. Ich suchte sie überall und rief laut ihre Namen. Was die Dame zu dem erwähnten Gelächter reizte, in das die ganze Jagdgesellschaft einstimmte.“
„Und hast du eine Ahnung, wo sie jetzt sind?“
„Wenn ich die hätte, Bruder Lupus, wäre ich jetzt wahrhaftig woanders. Dann wäre ich ihnen längst nachgeritten und hätte sie mit der Ochsenpeitsche zurück getrieben. Es hieß, dass sie angeworben wurden … von einem Thüring, der sich hier mit ein paar Knechten herumtrieb. Für die Leibwache irgendeines kleinen Vasallen, vielleicht auch eines Wendenhäuptlings. Wer weiß das? Jedenfalls scheint er besser zu zahlen als die Kommissare des Königs.“
„So stehen wir jetzt ohne Schutztruppe da.“
„Das stellte auch Gozbert gleich fest. Worauf er mir spöttisch ein paar von seinen eigenen Leuten anbot. Ich lehnte natürlich ab.“
Wir hatten uns hinter der Hütte an einer kleinen Quelle niedergelassen. Odo trank aus der hohlen Hand etwas Wasser und fuhr fort: „Nun begreifst du, mein Freund, warum mir die Lust zum Jagen verging. Ein Edelmann darf seine Pflicht vergessen, aber nie seine Ehre! Und die scheint mir jetzt in Gefahr zu sein. Denn leider war das ja noch nicht alles. Ich ritt zum Salhof des Volz zurück, um mich mit dir zu beraten, und was erfuhr ich da gleich? Dass unser kahler notarius unser einziges Zugpferd verspielt hat!“ Er zeigte auf Helko, der neugierig um die Hütte strich. „Der Junge dort hat mir gestanden, dass sie den Dummkopf zum Würfeln verleitet und übertölpelt hatten.“
„Das ist leider die Wahrheit“, sagte ich seufzend.
„Schließlich vernahm ich zu meiner Betroffenheit, dass du, heiliger Vater, dich in betrunkenem Zustand sehr rüpelhaft aufgeführt und in der Kirche den Priester verprügelt hast.“
„Das werde ich dir erklären …“
„Es geht sogar das Gerücht von einem sodomitischen Angriff, weil der Priester in unsittlicher Entblößung, mit nacktem Arsch, die Kirche verließ.“
„Eine niederträchtige Behauptung!“, rief ich empört.
„Meine Besorgnis erreichte den Höhepunkt, als ich nun auch noch dein Verschwinden feststellte. Endlich – wie gesagt, durch den Jungen, der dich beobachtet hatte – gelangte ich auf deine Spur. Natürlich fragte ich mich, welcher Wahn dich gepackt und allein in den Wald gelockt hatte. Was war es? Ein Irrer, der nachts in den Bäumen heult? Und was wolltest du denn mit der Axt? Etwa diese heidnische Fluchtburg zertrümmern?“
„Was fällt dir ein? Hältst du mich auch für verrückt? Was unterstellst du mir da? Ich habe den Eindruck, du machst mir Vorwürfe.“
„Das nicht, guter Vater, aber ich muss darauf hinweisen, dass wir als königliche Gesandtschaft reichlich an Würde und Ansehen verloren haben. Es ist uns
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