Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman
ihn der Pfeil traf. Und Hatto kam nicht einmal dazu, den Mund aufzutun.“
„Immerhin wissen wir, wer sein Mörder ist.“
„Der starke Erk, der Bruder des Priesters. Beide die Söhne eines Mannes, der vermutlich auch zuviel wusste, zuviel redete und dafür büßte. Er hieß Bertmund, war hier einer der ersten Christen und Theofrieds engster Verbündeter. Er sorgte dafür, dass die Reste des Geopferten in der Kirche bestattet wurden. Vermutlich gegen den Willen des Volz. Der wurde dann Graf und kurz darauf kam dieser Bertmund nach Verden, wo man ihn als Empörer hinrichtete. Hatto spielte dabei eine üble Rolle, obwohl er Bertmund dankbar sein musste. Der hatte sich des geächteten Totschlägers mit christlicher Nachsicht angenommen. Nun wurde er von ihm verraten. Hatto schien später zu bereuen, auch etwas wiedergutmachen zu wollen, indem er Erk bei sich aufnahm. Aber der einzige Schuldige war er wohl nicht. Ich glaube nicht einmal, dass er der Hauptschuldige war. Sonst hätte er nicht mit uns reden wollen, bevor wir Volz trafen. Von ihm hätten wir wahrscheinlich gleich alles erfahren … die ganze Geschichte, von Anfang an.“
„Und du glaubst nun, Volz wollte das verhindern, indem er ihn noch im letzten Augenblick umbringen ließ.“
„Wie er das machte, weiß ich nicht. Erk hatte Grund, Hatto zu töten. Doch er konnte es unzählige Male tun … warum tat er es an diesem Morgen, unmittelbar vor unserer Ankunft, plötzlich, hastig und unter den Augen so vieler Männer? Wer benutzte die schweren Fäuste dieses armen, beschränkten Burschen als Waffe? Ich traue es nur Volz zu, dem ich inzwischen jede Untat zutraue.“
„Ich gestehe, mein lieber Lupus“, sagte Odo, der die Stiefel ausgezogen hatte und seine Füße im Quellwasser kühlte, „dass mich trotz all dieser traurigen Vorgänge das wohlige Gefühl einer großen Genugtuung durchrieselt. Es war mir schon sehr unangenehm, das fromme Blauauge als Mistkäfer in einem Misthaufen bezeichnet zu haben.“
„Du hättest stärkere Worte wählen sollen. Aber wir wussten ja zu dem Zeitpunkt nur von der Betrügerei mit den Gauklern.“
„Hast du darüber auch etwas Neues?“
„Nur, dass er uns schändlich belogen hat, um uns als Richter ins Unrecht zu setzen. Nichts von Diebstahl und Verfolgung! Er selbst hat die angeblich Geheilten an der Spitze einer feierlichen Prozession verabschiedet. Sogar den Schrein des Theofried haben sie dabei mitgeschleppt.“
„Was dies betrifft, ist unsere Ehre also vollkommen wiederhergestellt. Meine Genugtuung wächst!“
„Und meine christliche Seele schreit vor Empörung. Er tötet skrupellos einen Menschen und betet ihn jetzt als Märtyrer an.“
„Und macht daraus auch noch ein Geschäft!“ Odo schnalzte mit der Zunge. „Das ist mehr, als ich diesem Volz zugetraut hätte.“
„Du scheinst ihn noch zu bewundern“, sagte ich streng.
„Verdient er das nicht? Dieser Mann versteht seine Sache. Wir sind einen Tag hier und wie sind wir schon zugerichtet! Ich fürchte, wenn uns jetzt nicht ein geordneter Rückzug gelingt, werden wir aufgerieben.“
„Wenigstens einmal müssen wir zu Gericht sitzen. Das ist unsere Pflicht. Wir – “
„Still!“
Im Unterholz hinter uns knackte und raschelte es. Wir sprangen gleichzeitig auf die Beine. Odo riss sein Schwert heraus, Ich griff nach dem Dolch.
Waren es Stimmen oder Laute? Wir verbargen uns hinter Bäumen und lauschten. Odo schlug ein paar Zweige weg. Zu sehen war nichts. Das Geräusch entfernte sich. Es konnte sich um das Getrampel von Menschen, aber auch einer Rotte Wildschweine handeln. Schließlich wurde es still. Wir atmeten auf.
„Wo ist der Junge?“, sagte Odo.
Keine Spur mehr von Helko. Nur die Hütte, die Quelle, die grünen Wände. Odo lief barfuß, wie er war, um die Hütte herum, sah hinein. Mehrmals rief ich den Namen des Jungen.
Keine Antwort.
Odo schlug die Tür so heftig zu, dass sie aus den Angeln brach.
„Verflucht! Der Bursche hat sich davongemacht. Aber ich finde hier ohne Mühe allein heraus. Hätte nur gleich daran denken sollen. Treuloses Volk, diese Sachsen!“
„Vielleicht ist er zu dem Leichnam zurückgegangen“, sagte ich. „Man darf ihn nicht lange unbewacht liegen lassen.“
Odo zupfte an seinem Schnurrbart.
„Der Häuptling liegt schon im Heldengrab“, sagte er etwas verlegen. „Mit seinen Waffen, nach altem Brauch. Er muss sich ja notfalls wehren können, falls jemand da drinnen protestiert. Obwohl ich annehme, dass
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