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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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und regennaß der glatte Lederrücken seines Gefährten. Er konnte nur hoffen, daß Grant noch guten Muts war. Das Brüllen des Motors ertränkte die Worte, die er seinem Passagier gelegentlich zurief, während sie von Bö zu Bö weiterschaukelten.
    Er riß seine Gedanken von den gegenwärtigen Unbilden los und ließ sich noch einmal diese letzte, denkwürdige Szene durch den Kopf gehen. Bruchstücke ihrer Unterredung klangen ihm noch in den Ohren nach.
    »Mademoiselle, ich habe auf der Suche nach Ihnen zwei Kontinente durchstreift.«
    »Voyons , dann ist es wohl wichtig. Aber beeilen Sie sich, sonst kommt gleich der große Bär und brummt, und ich hasse des histoires.«
    Auf dem niedrigen Tischchen hatte eine Lampe gestanden; er erinnerte sich, wie ihr Licht durch das kurzgeschnittene blonde Haar schimmerte. Sie war groß, aber schlank und hatte von den dicken schwarz-goldenen Kissen zu ihm aufgesehen.
    »Mademoiselle, es ist mir unbegreiflich, wie Sie je mit einem Menschen, der van Humperdinck heißt – äh – speisen und tanzen können.«
    Was hatte ihn nur bewogen, das zu sagen – wo doch die Zeit so knapp war und nichts wichtiger sein konnte als Jerrys Angelegenheiten?
    »Monsieur Humperdinck tanzt nicht. Haben Sie mich über zwei Kontinente verfolgt, um mir das zu sagen?«
    »Nein, es ist ernst.«
    »Eh bien , setzen Sie sich.«
    Sie hatte ganz offen mit ihm darüber gesprochen.
    »Ja, die arme Seele. Aber das Leben ist sehr kostspielig seit dem Krieg. Ich habe ein paar gute Angebote abgelehnt. Aber immerzu des histoires . Und so wenig Geld. Man muß ja vernünftig sein, nicht wahr? An sein Alter denken. Dafür muß man doch Vorsorgen, nicht?«
    »Gewiß.« Sie sprach mit einem ganz leichten Akzent – der ihm sehr bekannt vorkam. Zuerst konnte er ihn allerdings nirgends unterbringen. Dann fiel es ihm ein. Wien vor dem Krieg; diese Hauptstadt der unglaublichsten Verrücktheiten.
    »Ja, ja, ich habe ihm geschrieben. Ich war sehr freundlich, sehr vernünftig. Ich habe geschrieben: ›Je ne suis pas femme à supporter des gros ennuis.‹ Cela se comprend, n'est-ce pash?«
    Das verstand sich nur zu leicht. Das Flugzeug sackte plötzlich in ein Luftloch, hilflos wirbelte der Propeller, dann fing er sich, und die Maschine stieg langsam wieder.
    »Ich habe es in der Zeitung gelesen – ja. Armer Junge! Warum kann ihn nur jemand erschossen haben?«
    »Mademoiselle, gerade deswegen bin ich zu Ihnen gekommen. Mein Bruder, den ich sehr liebe, ist des Mordes angeklagt. Womöglich wird er gehängt.«
    »Brrr!«
    »Für einen Mord, den er nicht begangen hat.«
    »Mon pauvre enfant –«
    »Mademoiselle, ich bitte Sie herzlich, bleiben Sie ernst. Mein Bruder steht vor Gericht und bekommt den Prozeß gemacht –«
    Nachdem er einmal ihre Aufmerksamkeit besaß, war sie ganz Mitgefühl. Ihre blauen Augen hatten eine merkwürdige, aber attraktive Eigenheit – ein volles Unterlid, mit dem sie die Augen zu funkelnden Schlitzen verschloß.
    »Mademoiselle, ich flehe Sie an, versuchen Sie sich zu erinnern, was in seinem Brief stand.«
    »Aber, mon pauvre ami , wie könnte ich? Ich habe ihn nicht gelesen. Er war sehr lang, sehr ermüdend, voller histoires . Die Sache war aus – ich kümmere mich nie um etwas, das nicht mehr zu ändern ist, Sie vielleicht?«
    Aber seine echte Verzweiflung ob dieses Fehlschlags rührte sie doch.
    »Also hören Sie; alles ist vielleicht noch nicht verloren. Vielleicht liegt der Brief noch irgendwo herum. Oder wir fragen Adele. Meine Zofe. Sie sammelt Briefe, um Leute damit zu erpressen – o ja, ich weiß! Aber sie ist habile comme tout pour la toilette . Warten Sie – wir suchen zuerst selbst ein bißchen.«
    Briefe, Schmuckstücke und aller möglicher parfümierter Krimskrams flogen aus dem verspielten kleinen Sekretär, aus Schubladen voller Wäsche (»Ich bin so unordentlich – ich treibe Adele zur Verzweiflung«), aus Tüten – Hunderten von Tüten –, und schließlich Adele, dünnlippig und scharfäugig, die alles abstritt, bis ihre Herrin ihr in der Wut plötzlich eine Ohrfeige versetzte und sie auf französisch und deutsch mit allen möglichen Schimpfnamen bedachte.
    »Dann hat es also keinen Zweck«, sagte Lord Peter. »Ein Jammer, daß Mademoiselle Adele den Brief nicht finden kann, wo er für mich soviel wert ist.«
    Das Wörtchen »wert« gab Adele mit einemmal einen Gedanken ein. Sie hätten ja noch gar nicht in Mademoiselles Schmuckkästchen gesucht! Sie wolle es holen.
    »C'est

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