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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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denkbar. Er könnte für einige Zeit das Bewußtsein verloren haben und sich durch das Herumliegen in der Nässe eine Erkältung und Fieber zugezogen haben.«
    »Lassen die äußeren Anzeichen die Möglichkeit zu, daß er noch einige Stunden nach seiner Verwundung gelebt hat?«
    »Sie sprechen sogar sehr für diese Möglichkeit.«
    Bei nochmaliger Befragung stellte Sir Wigmore heraus, daß die Wunde und die äußeren Anzeichen ebenfalls mit der Theorie in Einklang zu bringen seien, daß der Schuß aus nächster Nähe von jemand anderem abgegeben und der Verstorbene zum Haus geschleppt worden sei, bevor sein Leben verlosch.
    »Schießen Selbstmörder sich nach Ihrer Erfahrung öfter in den Kopf oder in die Brust?«
    »Wohl öfter in den Kopf.«
    »Soviel öfter, daß eine Wunde in der Brust schon fast auf Mord schließen läßt?«
    »Soweit würde ich nicht gehen.«
    »Aber bei sonst gleichen Umständen würden auch Sie sagen, daß eine Kopfwunde eher die Vermutung eines Selbstmordes nahelegt als eine Körperwunde?«
    »Das ist richtig.«
    Sir Impey Biggs: »Aber Selbstmord durch Herzschuß ist keineswegs unmöglich?«
    »O nein, nein!«
    »Es hat solche Fälle schon gegeben?«
    »Ja, gewiß; sehr viele.«
    »Aus ärztlicher Sicht schließt also nichts die Möglichkeit eines Selbstmordes aus?«
    »Überhaupt nichts.«
    Damit war die Beweisaufnahme der Anklage abgeschlossen.

Tendenz fallend
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    Als Sir Impey Biggs sich am zweiten Verhandlungstag erhob, um das Eröffnungsplädoyer für die Verteidigung zu halten, fiel allgemein auf, daß er ein wenig sorgenvoll wirkte – bei ihm ein sehr ungewöhnlicher Zug. Seine Ausführungen waren sehr kurz, und doch vermochte er mit den wenigen Worten der großen Versammlung einen Schauer den Rücken hinunterzujagen.
    »Meine Lords, Sie sehen mich zu Beginn der Verteidigung in einer mehr als üblich schwierigen Situation. Nicht daß ich am Urteil Eurer verehrten Lordschaften im geringsten zweifelte. Selten, vielleicht noch nie war es möglich, die Unschuld eines Angeklagten so eindeutig zu beweisen wie im Falle meines edlen Mandanten. Aber ich möchte Ihnen, meine Lords, von vornherein erklären, daß ich mich genötigt sehen könnte, um eine Vertagung zu bitten, denn zur Zeit fehlen uns noch ein wichtiger Zeuge und ein entscheidendes Beweisstück. Meine Lords, ich habe hier ein Telegramm von diesem Zeugen in den Händen – ich will Ihnen seinen Namen nennen: Es ist Lord Peter Wimsey, der Bruder des Angeklagten. Das Telegramm wurde gestern in New York aufgegeben. Ich lese es Ihnen vor. Es lautet: ›Beweisstück gesichert. Fliege heute abend mit Pilot Grant. Beglaubigte Abschrift und beeidete Aussagen folgen mit S. S. Lucarnia falls Unglück. Erhoffte Ankunft Donnerstag.‹ Meine Lords, in ebendiesem Augenblick durchschneidet dieser entscheidende Zeuge die Lüfte hoch über dem weiten Atlantik. Bei diesem Winterwetter trotzt er einer Gefahr, vor der eines jeden Menschen Herz, außer dem seinen und dem des weltberühmten Fliegers, dessen Hilfe er sich versichert hat, verzagen würde, um bei der Befreiung seines Bruders von diesem furchtbaren Verdacht keine Sekunde zu verlieren. Meine Lords, das Barometer fällt.«
    Eine unermeßliche Stille, wie nach einem schweren Frost, hatte sich über den prunkvollen Saal gelegt. Die Lords in ihrem Purpur und Hermelin, die Damen in ihren kostbaren Pelzen, die Anwälte in ihren Allongeperücken und wehenden Roben, der Großhofmeister auf seinem hohen Stuhl, die Gerichtsdiener und Herolde und Wappenträger standen und saßen starr an ihren Plätzen. Nur der Angeklagte warf einen verwirrten Blick zuerst zu seinem Verteidiger, dann zum Großhofmeister, und die Reporter kritzelten wie verzweifelt letzte Meldungen für die nächste Ausgabe – düstere Schlagzeilen, malerische Beiworte und alarmierende Wettervorhersagen, die das Londoner Leben zum Stillstand bringen sollten: »HERZOGSSOHN ÜBERFLIEGT DEN ATLANTIK«, »BRUDERLIEBE«, »KOMMT WIMSEY NOCH RECHTZEITIG?«, »MORDFALL RIDDLESDALE: VERBLÜFFENDE WENDE«. Das war Zeitungsfutter. Millionen Fernschreiber tickerten die Geschichte in Büros und Clubräume, wo Angestellte und Botenjungen sich darüber hermachten und Wetten auf den Ausgang abschlossen; Tausende von Monsterpressen saugten sie in sich hinein, zerkochten sie zu Blei, stampften Druckplatten daraus, würgten sie in ihre großen Mägen, schieden sie auf Papier

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