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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Beweise hinaussehen kann.«
    Und wie sie einander so zornig anstarrten, schlüpfte plötzlich jene geheimnisvolle Blutsverbindung, die wir Familienähnlichkeit nennen, aus ihrem Versteck hervor und prägte ihre so grundverschiedenen Gesichter koboldhaft zu Karikaturen voneinander. Es war, als sähe ein jeder sich selbst in einem Zerrspiegel, während ihre Stimmen eine der anderen Echo hätten sein können.
    »Also gut«, sagte Peter, der sich als erster fing, »es tut mir aufrichtig leid. Ich wollte mich nicht so gehenlassen. Wenn du nichts sagen willst, dann eben nicht. Jedenfalls arbeiten wir alle wie die Irren und hoffen zuversichtlich, den Richtigen bald zu finden.«
    »Du solltest das lieber der Polizei überlassen«, meinte Denver. »Ich weiß ja, daß du gern Detektiv spielst, aber ich finde doch, du solltest irgendwo eine Grenze ziehen.«
    »Das war nicht nett«, sagte Wimsey. »Aber ich betrachte das nicht als ein Spiel und kann nicht einfach sagen, ich halte mich da heraus, denn ich weiß, daß ich wertvolle Arbeit leiste. Trotzdem verstehe ich deinen Standpunkt – doch, wirklich. Es tut mir leid, daß du mich als so aufdringlich empfinden mußt. Wahrscheinlich fällt es dir auch schwer, zu glauben, daß ich Gefühle habe. Aber ich habe welche, und ich werde dich hier herausholen, und wenn Bunter und ich alle beide dabei draufgehen. Also, mach's gut – der Wärter wacht soeben auf, um zu sagen: ›Zeit, meine Herren.‹ Halt die Ohren steif. Und viel Glück!«
    Draußen erwartete ihn Bunter.
    »Bunter«, fragte er, als sie zusammen durch die Straßen der alten Stadt gingen, »ist mein Benehmen wirklich aufreizend, auch wenn ich es gar nicht sein will?«
    »Es ist möglich, Mylord – wenn Eure Lordschaft mir die Bemerkung erlauben –, daß die frische Art, mit der Eure Lordschaft zu Werke gehen, diesen falschen Eindruck auf Menschen mit beschränkter –«
    »Vorsicht, Bunter!«
    »– mit begrenzter Phantasie macht, Mylord.«
    »Wohlerzogene Engländer haben keine Phantasie, Bunter.«
    »Gewiß nicht, Mylord. Ich wollte auch nichts Geringschätziges damit gesagt haben.«
    »Na schön, Bunter – o Gott, da läuft ein Reporter! Schnell, verstecken Sie mich irgendwo!«
    »Hier hinein, Mylord.«
    Mr. Bunter zog seinen Gebieter rasch in die kühle Leere einer Kathedrale.
    »Ich möchte empfehlen, Mylord«, beschwor er ihn im Flüsterton, »daß wir Haltung und äußeres Erscheinungsbild von Betenden annehmen, wenn Eure Lordschaft gestatten.«
    Durch die Fingerritzen sah Lord Peter einen Küster auf sie zugeschossen kommen, strengen Tadel auf den Lippen. Im selben Augenblick aber kam der Verfolger hereingestürzt und zückte sein Notizbuch. Der Küster warf sich sofort auf die neue Beute.
    »Die Wendeltreppe, unter der wir uns befinden«, hob er mit ehrfurchtsvoll eintöniger Stimme an, »ist bekannt unter dem Namen ›Die Sieben Schwestern von York‹. Es heißt –«
    Herr und Diener stahlen sich leise hinaus.
    Für den Besuch des Marktstädtchens Stapley staffierte Lord Peter sich mit einem alten Gürtelanzug, sportlichen Socken, einem uralten Hut mit rundum heruntergezogener Krempe, derben Schuhen und einem schweren Eschenstock aus. Seinen Lieblingsstock – einen schönen Malakka mit Zolleinteilung für detektivische Zwecke, einem Degen in seinem Innern und einem Kompaß im Knauf – ließ er mit Bedauern zurück. Er fürchtete nämlich, dieser könne die Eingeborenen gegen ihn einnehmen, da er so etwas Städtisches, wenn nicht Eingebildetes an sich habe. Die Folgen dieser löblichen Hingabe an seine Arbeit sollten deutlich zeigen, wie recht Gertrude Rhead hatte mit ihrer Bemerkung: »Diese ganze Selbstverleugnung ist ein tragischer Fehler.«
    Es war ein schläfriges Städtchen, in das sie mit einem Einspänner aus Riddlesdale einfuhren – Bunter neben Lord Peter, und auf dem Rücksitz Wilkes, der Untergärtner. Lieber wäre Wimsey an einem Markttag hierhergekommen, weil er da vielleicht Grimethorpe persönlich angetroffen hätte, aber die Zeit drängte, und er mochte keinen weiteren Tag verlieren. Es war ein rauher, kalter Morgen, der Regen verhieß.
    »In welchem Gasthaus steigt man am besten ab, Wilkes?«
    »Da wäre der ›Ziegelstein‹, Mylord – ein gutes, angesehenes Lokal, oder die ›Zinnbrücke‹ am Markt, oder die ›Rosenkrone‹ auf der andern Seite vom Marktplatz.«
    »Wo gehen denn die Leute am Markttag meist hin?«
    »Vielleicht ist die ›Rosenkrone‹ am beliebtesten, würde ich

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