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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sagen – der Wirt, Tim Watchett, ist sehr redselig. Greg Smith aus der ›Zinnbrücke‹ gegenüber ist ziemlich mürrisch, aber dafür hat er gutes Bier.«
    »Hm – Bunter, ich glaube, unser Mann würde sich eher von Verdrießlichkeit und gutem Bier angezogen fühlen als von einem geschwätzigen Wirt. Wir sollten uns mal die ›Zinnbrücke‹ ansehen, und wenn wir dort eine Niete ziehen, gehen wir in die ›Rosenkrone‹ und quetschen den redseligen Mr. Watchett aus.«
    Und so bogen sie in den Hof eines großen, finster dreinblickenden Hauses ein, auf dessen lange nicht mehr renoviertem Schild gerade noch die Umrisse einer zinnenbewehrten Brücke zu erkennen waren, die der Volksmund (vielleicht in Anlehnung an die zinnernen Bierkrüge) im Laufe der Zeit zur ›Zinnbrücke‹ gemacht hatte. Peter wandte sich in seinem leutseligsten Ton an den brummigen Stallknecht, der das Pferd in Empfang nahm:
    »Scheußlich frischer Morgen, wie?«
    »Hm.«
    »Füttern Sie mir den Gaul gut. Ich bleibe ein Weilchen.«
    »Hm.«
    »Heute ist wohl nicht viel los hier, was?«
    »Nee.«
    »Aber an Markttagen haben Sie sicher viel zu tun?«
    »Hm.«
    »Da kommen wohl die Leute von weit her?«
    »Hüah!« sagte der Stallknecht. Das Pferd machte drei Schritte vorwärts.
    »Harr!« sagte der Stallknecht. Das Pferd blieb stehen; die Deichseln waren frei, und der Mann ließ sie auf den knirschenden Kies hinunter.
    »Hüah!« rief der Stallknecht; er führte das Pferd gemächlich in den Stall und ließ Lord Peter einfach stehen. So hatte der Adelssproß sich schon lange nicht abgefertigt gefühlt.
    »Ich bin mehr und mehr überzeugt«, sagte Seine Lordschaft, »daß dies die gewohnte Absteige unseres Mr. Grimethorpe ist. Gehen wir mal an die Bar. Wilkes, ich brauche Sie vorerst nicht. Besorgen Sie sich was zu essen, wenn Sie Hunger haben. Ich weiß nicht, wie lange wir bleiben werden.«
    »Sehr wohl, Mylord.«
    In der Bar der ›Zinnbrücke‹ fanden sie Mr. Greg Smith verdrießlich über eine lange Rechnung gebeugt. Lord Peter bestellte für sich und Bunter etwas zu trinken. Der Wirt schien dies als Dreistigkeit zu empfinden und verwies sie mit einer Kopfbewegung an die Kellnerin. Es war nur recht und billig, daß Bunter, nachdem er sich bei seinem Herrn geziemend für das Bier bedankt hatte, sofort eine Unterhaltung mit dem Mädchen anknüpfte, während Lord Peter seine Aufmerksamkeit Mr. Smith zuwandte.
    »Ah!« sagte Seine Lordschaft. »Das ist mal ein guter Schluck, Mr. Smith. Man hat mir gesagt, für ein gutes Bier müsse ich mich hierher wenden, und weiß der Himmel, man hat mich an die richtige Stelle geschickt.«
    »Hm!« machte Mr. Smith. »Ist auch nicht mehr, was es mal war. Was Gutes gibt's heute doch nicht mehr.«
    »Also, ich könnte es mir nicht besser wünschen. Übrigens, ist Mr. Grimethorpe heute hier?«
    »Was?«
    »Ist Mr. Grimethorpe heute morgen in Stapley, wissen Sie das zufällig?«
    »Wie soll ich das wissen?«
    »Ich dachte, er kehrt immer hier ein.«
    »Hm.«
    »Vielleicht habe ich auch den Namen falsch verstanden. Aber ich hätte ihn für den Mann gehalten, der dahin geht, wo es das beste Bier gibt.«
    »So?«
    »Na gut, wenn Sie ihn nicht gesehen haben, wird er wohl heute nicht hierhergekommen sein.«
    »Wohin?«
    »Nach Stapley.«
    »Wohnt er nicht hier? Kann doch kommen und gehen, ohne daß ich es weiß.«
    »Natürlich!« Wimsey mußte den Schock erst einmal verdauen, dann begriff er das Mißverständnis. »Ich meine doch nicht Mr. Grimethorpe aus Stapley, sondern Mr. Grimethorpe von Grider's Hole.«
    »Warum sagen Sie das nicht gleich? Den? Ja.«
    »Ist er heute hier?«
    »Nein. Weiß nichts von ihm.«
    »Aber an Markttagen kommt er doch her, denke ich?«
    »Manchmal.«
    »Es ist ja ein ziemlich weiter Weg. Man kann doch hier übernachten?«
    »Wollen Sie 'n Zimmer?«
    »Nein, ich glaube nicht. Ich dachte mehr an meinen Freund Grimethorpe. Könnte mir denken, daß er oft hier über Nacht bleibt.«
    »Kann sein.«
    »Steigt er denn nicht hier ab?«
    »Nee.«
    »Oh!« machte Peter und dachte ungeduldig: »Wenn die hier alle so verschlossen sind wie die Austern, werde ich doch noch über Nacht bleiben müssen ... Na schön«, fuhr er laut fort, »wenn er sich das nächste Mal hier sehen läßt, sagen Sie ihm bitte, daß ich nach ihm gefragt habe.«
    »Und wer ist ›ich‹?« erkundigte Mr. Smith sich abweisend.
    »Ach, nur Brooks aus Sheffield«, meinte Lord Peter mit vergnügtem Grinsen. »Einen guten Morgen.

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