Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk
Whipley senior. Außer denen des Hausmädchens waren an Tassen und Gläsern keine anderen Abdrücke zu sehen, während die Likörflasche die Abdrücke von Vater und Sohn aufwies.
Mit dem Gedanken an die Möglichkeit des Selbstmords hatte die Polizei den Raum sorgfältig nach einer Flasche oder Phiole durchsucht, die vielleicht das Gift enthalten hatte. Man hatte aber nichts gefunden, lediglich im Kamin eine halbverbrannte Stanniolkapsel mit der verstümmelten Aufschrift »… AU … tier & Cie.« entdeckt.
Der Größe nach zu urteilen, hatte diese Kapsel jedoch den Korken einer Halbliterflasche bedeckt, und es erschien höchst unwahrscheinlich, daß ein Selbstmordkandidat einen halben Liter Blausäure kaufen würde. Auch war eine kürzlich geöffnete Flasche vorhanden, zu der die Kapsel gehörte.
An dieser Stelle tauchte ein schrecklicher Gedanke aus Mr. Eggs Unterbewußtsein auf – eine trübe Erinnerung an etwas, das er einst in einem Buch gelesen hatte. Die restliche Aussage des Inspektors, die rein formell war, entging ihm. Er wurde erst wieder aufmerksam, nachdem die Köchin und das Hausmädchen bewiesen hatten, daß sie den ganzen Abend zusammen verbracht hatten, und der Arzt aufgefordert wurde, seinen medizinischen Befund darzulegen.
Dieser erklärte, daß Mr. Whipley zweifellos an Vergiftung durch Zyankali gestorben sei. Nur eine sehr kleine Menge des Gifts war im Magen gefunden worden, aber selbst eine geringe Dosis wirkte bei einem Mann seines Alters und seiner natürlichen Gebrechlichkeit tödlich. Von allen bekannten Giften führt Zyankali am schnellsten zum Tode. Schon kurz nach dem Einnehmen traten Bewußtlosigkeit und Exitus ein.
»Wann haben Sie die Leiche zuerst gesehen, Doktor?«
»Ich kam um fünf Minuten vor zwölf, und da war Mr. Whipley mindestens schon seit zwei Stunden tot, wenn nicht noch länger.«
»Er konnte nicht, sagen wir mal, eine halbe Stunde vor Ihrer Ankunft gestorben sein, wie?«
»Unmöglich. Ich möchte sagen, um halb zehn herum und gewiß nicht später als halb elf.«
Als letztes wurde der Bericht des Analytikers verlesen. Der Inhalt der Likörflasche und der Kaffeesatz in beiden Tassen hatten sich als völlig harmlos herausgestellt. Beide Likörgläser enthielten ein paar Tropfen Pfefferminzlikör, und eins davon – das mit den Fingerabdrücken des alten Mr. Whipley – wies eine deutliche Spur von Blausäure auf.
Noch ehe der Coroner sein Resümee begann, lag es klar auf der Hand, daß die Sache für Raymond Whipley sehr finster aussah. Er besaß ein Motiv, und er allein konnte das tödliche Gift mit Leichtigkeit bekommen. Überdies fiel die Zeit des Todes fast genau mit dem Zeitpunkt seiner hastigen und aufgeregten Flucht aus dem Haus zusammen.
Selbstmord schien ausgeschlossen; die anderen Mitglieder des Haushalts konnten gegenseitig ihr Alibi beweisen; nichts deutete darauf hin, daß ein Fremder von außen her eingedrungen war. Es folgte das unvermeidliche Urteil: Raymond Whipley wurde des Mordes beschuldigt.
Mr. Eggs verließ eilends den Saal. Zwei Dinge beunruhigten ihn – Mr. Minchins Aussage und die halberinnerte Warnung, die er in einem Buch gelesen hatte. Er ging zum Postamt des Dorfes und schickte ein Telegramm an seine Arbeitgeber. Dann lenkte er seine Schritte zum Gasthof, wo er sich einen Tee bestellte, den er nachdenklich trank. Ihm schwante, daß dieser Fall für das Geschäft nicht gut sein würde.
Nach ungefähr einer Stunde wurde ihm die Antwort auf sein Telegramm überreicht. Sie lautete: »14. Juni 1893. Freeman & Toplady 1931«, und war von dem Seniorpartner der Firma Plummett & Rose unterzeichnet.
Mr. Eggs heiteres, rundes Gesicht wurde von einer dunklen Wolke der Bestürzung und Qual überschattet. Er verzog sich in das Privatzimmer des Wirts und meldete ein teures Ferngespräch nach London an. Weniger bestürzt, aber immer noch finster kam er nach einer Weile wieder zum Vorschein. Er stieg in seinen Wagen und begab sich auf die Suche nach dem Coroner.
Dieser begrüßte ihn freundlich und führte ihn ins Zimmer, wo auch Inspektor Brown und der Polizeichef des Bezirks versammelt waren.
»Nun, Mr. Egg«, meinte der Coroner, »Sie sind sicher froh, daß dieser unglückselige Fall auf die Reinheit der von Ihrer Firma gelieferten Waren keinen Schatten wirft.«
»Um darüber mit Ihnen zu sprechen, habe ich mir die Freiheit genommen, Sie aufzusuchen. Geschäft ist Geschäft, aber Tatsachen sind Tatsachen, und meine Firma ist bereit, den
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