Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk
erregten Szene oft der Fall ist. Ich könnte mir denken, daß er den kalten Kaffee zu trinken begann und dabei das Verlangen nach einem Likör spürte.«
»Er geht also zum Schrank, kramt etwas darin herum und stößt auf diese alte Flasche Noyeau, die vierzig Jahre ungeöffnet dort gestanden hat. Er nimmt sie heraus, entfernt die Kapsel, die er ins Feuer wirft, und zieht den Korken mit seinem Korkenzieher, wie ich das oft bei ihm beobachtet habe. Dann schenkt er sich das erste Glas ein, ohne an die Gefahr zu denken, leert es, in seinem Sessel sitzend, und stirbt, ohne einen Hilferuf äußern zu können.«
»Sehr geistreich«, bemerkte der Polizeichef. »Aber wo sind diese Flasche und der Korkenzieher geblieben? Und wie erklären Sie sich das Vorhandensein von Pfefferminzlikör in seinem Glas?«
»Aha!« sagte Monty. »Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Irgend jemand hat seine Hand im Spiel gehabt, und zwar nicht Mr. Raymond; denn es war zu seinem Vorteil, alles so zu lassen, wie es war. Aber vielleicht ist gegen halb zwölf, als Mrs. Minchin ihr Zimmer aufräumte und die anderen Dienstboten im Bett lagen, jemand anders in das Studierzimmer gegangen, hat Mr. Whipley tot aufgefunden, daneben die Flasche Noyeau, und erraten, was geschehen war.
Nehmen wir einmal an, daß diese Person den Korkenzieher wieder in den Schrank legte, ein paar Tropfen Pfefferminzlikör aus Mr. Raymonds Glas in das andere schüttete und die NoyeauFlasche mitnahm, um sie in Ruhe zu vernichten, wie sähe die Sache dann aus?«
»Aber wie konnte die Person das tun, ohne Fingerabdrücke auf Mr. Raymonds Glas zu hinterlassen?«
»Ganz einfach«, erklärte Monty. »Er brauchte bloß den Stiel des Glases mit der ganzen Hand zu umschließen. So. Dann war nur ein schwacher Fleck am Oberteil des Glases zu sehen.«
»Und das Motiv?« fragte der Polizeichef.
»Nun, meine Herren, darüber möchte ich mich nicht äußern. Aber wenn Mr. Raymond wegen Mordes an seinem Vater gehängt worden wäre, so wäre das Geld seines Vaters wohl an den nächsten Verwandten gefallen – an den Herrn, bei dessen Firma das Buch erschienen ist, das uns genaue Auskunft über Noyeau gibt.
Es ist sehr unangenehm, daß meine Firma die fragliche Flasche geliefert hat. Eine Verantwortung müssen wir natürlich ablehnen. Aber wir werden in unserem demnächst erscheinenden Katalog eine Warnung hinzufügen.
Und Sie gestatten mir vielleicht, meine Herren, daß ich Ihnen unser neues Buch Die hundertjährige Geschichte des Hauses Plummett & Rose zusende. Es erscheint in eleganter Ausstattung – eine Zierde für jeden Bücherschrank.«
Falsches Gewicht
»Nanu!« sagte Mr. Montague Egg.
Er kannte den Gasthof »Königliche Eiche« in Pondering Parva und hätte unter normalen Umständen dort nicht gehalten. Dieses Haus hatte wenig zu tun. Das Essen war schlecht und der Wirt ein verdrießlicher Mann. Ein tüchtiger Reisender in erstklassigen Weinen und Spirituosen hatte nicht viel Aussicht, hier etwas abzusetzen. Aber der Umstand, daß der Gasthof schon morgens um halb neun der Mittelpunkt einer interessierten Menschenmenge war und daß ein Polizeiwagen und eine Ambulanz vor der Tür standen, erregte die Neugierde Mr. Eggs. Er nahm also den Fuß vom Gaspedal und brachte seinen Wagen zum Halten.
>»Was geht hier vor?« erkundigte er sich bei einem der Umstehenden.
»Jemand ist ermordet worden … George hat es getan … Unsinn, es waren Diebe, und sie sind mit der Kasse durchgebrannt … George kam nach unten und fand den Fußboden mit Blut überschwemmt … ich sage dir, es war George …«
Mr. Egg war schon auf dem Wege zur Bar. Ein Polizeiinspektor trat ihm auf der Schwelle entgegen.
»Sie können jetzt nicht hereinkommen. Wer sind Sie, und was wollen Sie?«
»Mein Name ist Montague Egg. Ich reise für Plummett & Rose, Weine und Spirituosen, Piccadilly. Ich möchte mit Mr. Rudd sprechen.«
»Das geht jetzt nicht. Sie fahren am besten weiter. Einen Moment! Sie sagen, Sie seien ein Handelsreisender. Ist dies Ihr regulärer Bezirk?«
Mr. Egg bejahte das.
»Dann könnten Sie uns vielleicht einige Auskünfte geben. Treten Sie doch bitte näher.«
»Ich will eben meinen Koffer holen«, sagte Monty. Bei allem Interesse vergaß er nicht die Pflicht des Geschäftsreisenden seinen Mustern und Beglaubigungsschreiben gegenüber. Er schleppte den schweren Koffer aus dem Wagen ins Gasthaus, wobei jemand aus der Menge schrie: »Das ist der Fotograf.« In der Bar der
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