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Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk

Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk

Titel: Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L Sayers
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gekauft sein konnten. Aber sie waren immerhin da, und wenn sie unserem Klienten gehörten und er sie vor ein Uhr in einem Walde nahe bei Workingham verloren hatte, konnte er unmöglich achtzig Meilen entfernt um Mitternacht einen Mord begangen haben. Es war immerhin möglich, daß sie von einem seiner Bekannten oder dem Hersteller identifiziert wurden. Ich legte also die Aussage des Wilderers schriftlich nieder und nahm die Handschuhe in meinem Koffer mit mir.
    In jenen Tagen hatte ich noch kein Auto und mußte die Eisenbahn benutzen. Es war eine unangenehme Reise in einem altmodischen Bummelzug. Außerdem eine dunkle Novembernacht mit dichtem Nebel und Verspätung der Züge.
    Ich erinnere mich nicht an den Zusammenstoß selbst. Wir erfuhren später, daß der Londoner Expreß die Signale überfahren und uns von hinten gerammt hatte, gerade bevor wir die Weichen passierten. Ich weiß nur noch, daß mich etwas mit einem donnerartigen Getöse traf und ich, nach einer Ewigkeit, unter einem Trümmerhaufen hervorkroch, während mir das Blut aus einer Kopfwunde in den Mund strömte. Ich hatte ein Schläfchen gehalten, die Beine auf dem Sitz, sonst wäre ich mittendurch geschnitten worden; denn ich konnte jetzt sehen, daß die drei hinteren Wagen des Bummelzuges ineinandergeschoben waren. Die Lokomotive des Expreßzuges war umgestürzt und hatte die Trümmer in Brand gesetzt. Ein regelrechtes Inferno.
    Sobald mein Verstand wieder funktionierte, dachte ich an die Handschuhe. Ich muß sie herausholen, sagte ich mir. Aber ich konnte niemanden finden, der mir half, und die Flammen züngelten schon am Wagen hoch. Ich hatte keine Ahnung, wo der Koffer eigentlich war, aber irgendwo unter diesem Haufen verbogenen Eisens und zerbrochenen Holzes lag das Beweismaterial, das unserem Klienten das Leben retten mochte.
    Ich wollte gerade danach suchen, als eine Frau meinen Arm umklammerte.
    ›Mein Baby‹, jammerte sie. ›Mein kleiner Junge! Dort drinnen!‹
    Sie zeigte auf mein Nachbarabteil, das schon vom Feuer erfaßt war, und ich konnte das Kind beim Schein der Flammen sehen. Es lag auf der Unterseite des umgekippten Wagens, zwischen Balken eingeklemmt, die verhindert hatten, daß es zu Tode gequetscht wurde. Die Frau schüttelte mich wie eine Wahnsinnige. ›Rasch!‹ keuchte sie. ›Rasch!‹ Mir blieb nur eins übrig: Ich kletterte durch das Fenster und wühlte in den Trümmern, bis ich hinabreichen und mich vergewissern konnte, daß der Junge noch lebte.
    Während ich damit beschäftigt war, konnte ich riechen und hören, wie das knisternde Feuer mein eigenes Abteil verzehrte – meinen Koffer, meine Papiere, die Handschuhe, einfach alles. Jede Minute, die ich auf die Rettung des Kindes verwandte, war ein Sargnagel für meinen Klienten. Und bitte, vergessen Sie nicht – ich war von der absoluten Unschuld des Mannes überzeugt!
    Und doch war seine Chance nicht sehr groß. Die Handschuhe gehörten ihm vielleicht gar nicht. Und selbst wenn es der Fall war, vermochten sie ihn vielleicht nicht zu retten. Womöglich glaubten ihm die Geschworenen auch ohne die Handschuhe.
    Das Kind dagegen lebte, und seine Mutter arbeitete wie besessen neben mir, zerrte an brennenden Planken, schnitt sich an den Fensterscherben und redete dem Kind gut zu. Was blieb mir anderes übrig? Obgleich es mir manchmal schien, als würden wir das Kind und das Beweismaterial verlieren.
    Doch gerade als ich nahe daran war, die Hoffnung aufzugeben, kamen zwei Männer und halfen uns, und es gelang, den Jungen zu befreien. Um Haaresbreite. Seine Kleider hatten schon Feuer gefangen.
    Inzwischen brannte mein Abteil lichterloh. Nichts blieb davon übrig. Als wir am nächsten Morgen die glühende Asche durchsuchten, fanden wir von meinem Koffer nur noch das Messingschloß.
    Wir haben natürlich keine Mühe gescheut und den Wilddieb vor Gericht zitiert, der sich aber beim Kreuzverhör nicht sonderlich bewährte. Alles war so unbestimmt. Man kann ein Paar Handschuhe nicht mit Hilfe einer Beschreibung identifizieren, und wir konnten niemanden finden, der den Wagen in jener Nacht in der Nähe des Waldes gesehen hatte. Vielleicht gab es diesen Wagen gar nicht.
    Ob zu Recht oder zu Unrecht, jedenfalls verloren wir den Prozeß. Mag sein, wir hätten ihn auch so verloren. Vielleicht war der Mann schuldig. Hoffentlich! Aber ich sehe immer noch sein Gesicht vor mir, als er seine Aussage machte; sehe immer noch den Obmann der Geschworenen, als er das Urteil verkündete und es

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