Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk
vermied, den Gefangenen anzusehen.«
Popper brach ab und strich sich mit der Hand über die Stirn.
»Wurde der Mann gehängt?« fragte der Oberst.
»Ja«, erwiderte Popper mit erstickter Stimme, »ja, er wurde gehängt.«
»Und was ist aus dem Jungen geworden?« erkundigte sich der Pfarrer.
Popper machte eine hoffnungslose Gebärde.
»Er wurde ebenfalls gehängt. Letztes Jahr. Wegen Mordes an zwei kleinen Mädchen. Ziemlich ekelhafter Fall.«
Es folgte ein langes Schweigen. Popper leerte sein Glas und stand auf.
»Aber das konnten Sie nicht voraussehen«, tröstete ihn der Pfarrer.
»Nein«, sagte Popper, »das konnte ich nicht voraussehen, und Sie werden bestimmt sagen, daß ich recht gehandelt habe.«
Der Fremde stand ebenfalls auf und legte Popper die Hand auf die Schulter. »Diese Dinge lassen sich nicht ändern. Ich bin der Mann, der die Davenant-Smith-Manuskripte gerettet hat, und leide auch unter Alpdrücken.«
»Ah! Aber Sie haben Ihre Schuld bezahlt«, sagte Popper, »während ich ungestraft davongekommen bin.«
»Ja«, sagte der andere nachdenklich, »ich habe gesühnt, und die Zeit hat mich gerechtfertigt. Man tut, was man kann. Was hinterher geschieht, geht uns nichts an.«
Als er Popper aus dem Zimmer folgte, hielt er den Kopf hoch und schritt mit neugewonnener Zuversicht.
»Das ist ja eine schreckliche Geschichte«, meinte der Pfarrer.
»Ja«, sagte ich, »und sie besitzt einige merkwürdige Züge. Sind Vertreter schon im Auto gereist, als Popper ein Jüngling war? Und warum hat er das Beweismaterial nicht sofort zur Polizei gebracht?«
Timpany mußte lachen.
»Popper hat natürlich an der Leichenschau über DavenantSmith’ Butler teilgenommen«, erklärte er. »Er muß diesen Doktor auf den ersten Blick erkannt haben. Popper ist ein grundgütiges altes Haus, aber man darf seinen Geschichten keinen Glauben schenken. Er war heute abend ganz groß in Form, der alte Popper!«
Pfeil überm Haus
»Eins steht fest, Miss Robbins«, erklärte Mr. Humphrey Podd. »Wir fassen die Sache nicht richtig an. Wir sind zu sanftmütig, zu alltäglich. Wir schreiben – das heißt, ich schreibe – eine haarsträubende, Gänsehaut erzeugende, blutrünstige Geschichte, dazu bestimmt, steinäugige Gorgonen in ihrem Schlummer zum Heulen zu bringen. Und was tun wir damit?«
Miss Robbins zog die letzte Seite von Die Zeit wird kommen von Humphrey Podd aus der Maschine und blickte ihren Arbeitgeber schüchtern an.
»Wir schicken sie zum Verleger«, wagte sie zu bemerken.
»Ja«, wiederholte Mr. Podd bitter, »wir schicken sie zum Verleger. Aber wie? In braunes Papier gewickelt, mit einem unterwürfigen Begleitbrief, in dem wir um seine gütige Aufmerksamkeit bitten. Schenkt er ihr seine Aufmerksamkeit? Liest er sie überhaupt? Nein! Sechs Monate läßt er sie in einem staubigen Korb liegen und sendet sie dann mit geheuchelten Dankes- und Höflichkeitsfloskeln zurück.«
Unwillkürlich blickte Miss Robbins auf eine Schublade, in der solche Totgeburten wie Mordehe, Der tödliche Elefant und Die Nadel der Nemesis , von vielen Reisen stark mitgenommen, begraben lagen. Tränen standen ihr in den Augen; denn wenn der Himmel ihr auch den Verstand versagt hatte, so liebte sie doch ihre Arbeit als Schreibhilfe und hegte außerdem eine heimliche und leidenschaftliche Zuneigung zu Mr. Podd.
»Vielleicht ein persönlicher Besuch?« schlug sie vor.
»Zwecklos«, erklärte Mr. Podd. »Die Burschen sind nie zu sprechen. Nein. Wir müssen uns an den Reklamefritzen ein Beispiel nehmen – Nachfrage schaffen, Erwartungen wecken. Mit anderen Worten: einen Feldzug planen.«
»O ja, Mr. Podd?« hauchte sie.
»Wir müssen modern, dynamisch, seelenerschütternd wirken«, fuhr der Verfasser fort. Er fegte die blonde Locke aus der Stirn, die so trainiert war, daß sie ihm in eindrucksvollen Momenten in die Augen fiel, und setzte die Miene eines Napoleon auf. »Wer soll unsere Zielscheibe sein? Nicht Sloop – der ist zu wohlgenährt. Nichts könnte diesen Fettwanst erschüttern. Auch nicht Gribble & Tape – sie sind beide tot, und ein Direktorium läßt sich nicht aus der Fassung bringen. Horace Pincock ist verletzbar, aber ich möchte lieber in einer Dachstube hocken, als ein Horace-Pincock-Autor werden.« (Es bestand keine Aussicht, daß Mr. Podd je am Hungertuche nagen würde, denn er bekam einen reichlichen Zuschuß von seiner verwitweten Mutter, aber die Redensart klang gut.) »Ich glaube, wir konzentrieren uns auf
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