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Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk

Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk

Titel: Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L Sayers
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des bleichgesichtigen Fremden, der nicht mit zu unserem Kreis gehörte.
    Er hatte sich bescheiden hinter ein Buch verkrochen und tat mir etwas leid, wie er da so eingepfercht saß zwischen Timpany und dessen Freund Popper, die den Weltrekord im Schwatzen halten. Der Oberst sagte, herrje, natürlich würde er auf den Knopf drücken. Zuviel verflixte Chinesen in der Welt – zuviel verdammtes Volk überhaupt.
    Und ich sagte, die meisten Menschen würden ziemlich viel für eine Million tun.
    Und der Pfarrer meinte (wie das nicht anders zu erwarten war), daß kein Mensch berechtigt sei, einem Mitmenschen das Leben zu nehmen. Timpany erinnerte an all das Gute, das man mit einer Million Pfund tun könne, und der alte Popper war der Ansicht, daß es von dem Charakter des Chinesen abhänge, da ja ein zweiter Konfuzius in ihm stecken könne. Danach erstreckte sich die Unterhaltung auf noch törichtere Fragen, zum Beispiel: Wenn Sie die Wahl hätten, einen kranken Landstreicher oder den Codex sinaiticus zu retten, wen würden Sie retten?
    Timpany meinte, daß es natürlich leicht sei, zu sagen, daß da kein anständiger Mensch zögern würde (der Esel, der ihm das Stichwort gegeben hatte, war ich). Aber wir sollten mal an einen ähnlichen Fall denken, der sich wirklich zugetragen und so viel Staub aufgewirbelt hatte, nämlich die Geschichte mit den Davenant-Smith-Manuskripten.
    Der Pfarrer erinnerte sich daran, daß Davenant-Smith bei der Erforschung der Schlafkrankheit in Bunga-Bunga ums Leben gekommen war. Ein echter Märtyrer der Wissenschaft.
    »Ja«, sagte Timpany, »und Davenant-Smith’ Manuskripte mit all den unausgewerteten Ergebnissen wurden an seine Witwe geschickt – ein ganzer Koffer voll. Mrs. Davenant-Smith angelte sich einen gescheiten jungen Mediziner, der sie zur Veröffentlichung vorbereiten sollte. Und in derselben Nacht brach in ihrem Haus ein Feuer aus.«
    Da fiel auch mir die Geschichte wieder ein, und ich rief: »O ja. Ein betrunkener Butler und eine Petroleumlampe, nicht wahr?«
    Timpany nickte. Es war mitten in der Nacht passiert. Ein strohgedecktes Fachwerkhaus, kein Wasser und die Feuerwehr zehn Meilen entfernt. Der junge Doktor mußte zwischen den Papieren oder dem versumpften alten Butler wählen. Er brachte die Manuskripte als erstes in Sicherheit, und als er zurückkam, um den Butler zu holen, brach das Dach zusammen.
    Ich hörte, wie der Pfarrer murmelte: »Schrecklich!« Und ich sah, daß der Fremde, obwohl er eine Seite umblätterte, seine melancholischen, dunklen Augen unverwandt auf Timpany richtete.
    »Es kam bei der Leichenschau ans Licht«, fuhr Timpany fort. »Der junge Mediziner wurde ziemlich scharf verhört. Er erklärte, daß die Papiere von unermeßlichem Wert für die ganze Menschheit seien; hingegen sei ihm nichts Positives bekannt über den Butler.
    Er erhielt einen strengen Verweis durch den Coroner und wäre wahrscheinlich in eine unangenehme Lage geraten, wenn das Feuer nicht im Schlafzimmer des Butlers ausgebrochen wäre. Unter diesen Umständen, entschied die Jury, war der Butler wahrscheinlich schon erstickt, bevor Alarm gegeben wurde.
    Der junge Doktor war natürlich ruiniert. Wer holt schon einen Arzt mit derartigen Ansichten über den Wert des Menschenlebens, einen, dem ein paar tausend kranke Neger im Busch wichtiger sind als ein Butler in der Hand. Weiß nicht, was aus dem armen Kerl geworden ist. Hat wohl seinen Namen geändert und ist ins Ausland gegangen. Jedenfalls hat ein anderer die Manuskripte bearbeitet, die ja bekanntlich die Grundlage unseres Wissens über die Schlafkrankheit bilden. Die Davenant-SmithBehandlung soll unzählige Leben gerettet haben. Nun, Pater, was war der junge Mediziner nun, ein Märtyrer oder ein Mörder?«
    »Gott weiß es«, erwiderte der Pfarrer.
    »Trotzdem glaube ich, an seiner Stelle hätte ich den Butler zu retten versucht.«
    »Ha!« meinte der Oberst. »Verdammt heikle Frage. Natürlich kein Verlust, der alte Saufkopf. Viel zuviel davon auf der Welt – nützen keinem was. Trotzdem scheußliche Sache, einen Menschen bei lebendigem Leibe verbrennen zu lassen …«
    »An Schlafkrankheit eingehen ist auch ziemlich unangenehm«, bemerkte der Fremde. »Ich habe genug davon gesehen.«
    »Was würden Sie denn sagen, Sir?« erkundigte sich der Pfarrer.
    »Der junge Doktor war ein Narr«, erwiderte der Fremde mit bitterem Nachdruck. »Er hätte wissen sollen, daß die Welt von Gefühlsduselei beherrscht wird. Er hat sein Schicksal

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